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Das erstaunliche Lexicon



Unnütze  Phrasen mit dem nötigen Korn Wahrheit - auf der Spur verlorener Nachdenklichkeit.
Das Lexicon wird laufend erweitert - und bleibt als Unvollständiges vollkommen unvollständig.

Nachtrag:
- Aaachtung - da ist Satire drin. Sie arbeitet mit Witz und Glosse, wird bisweilen grotesk oder spottet, überspitzt, ironisiert, pauschalisiert, verletzt, ist ungerecht, zweifelt an. Wird dabei gerne hinterrücks über die Schulter geschossen kritisch und treffsicher. Nimmt das alles so gemischt verquer in kauf um Innenleben aufzublättern, Schärfe zu erreichen, die mit epischer Darstellung aller Fürs und Widers niemals erreichbar ist. Leidet versteckt (und unbelehrbar) an idealistischen Vorstellungen, will zum Guten verändern, ausgleichen.
Also - es handelt sich nachfolgend nicht um eine 1:1-Abbildung meiner Meinung. Die drückt sich darin nur irgendwo herum. Es ist auch keine wissenschaftliche Ausarbeitung, ein politisches Programm, ein Wunsch oder die Weltformel (oder doch?).
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Teil 1

Was uns alle angeht
Teil 2

Was nur Mann und Frau etwas angeht
Teil 3

Was Augsburg betrifft
Teil 4

Tragische Irrtümer



Was uns alle angeht

Ärzte

Überbewertet. Aber immer wieder stark und im allgemeinen Bewußtsein vergöttert. Schwarzwaldklinik, Schwester Stefanie. Der Arzt glaubt ebenfalls daran, deshalb hat er diese Einkunftsquelle gewählt. Der Arzt würde trotzdem selbst niemals zu einem Arzt gehen. Er glaubt auch nicht unbedingt an Krankheiten, findet sie jedoch interessant. Wenn er keine anderweitige Verabredung hat.
Der Arzt ist ein kompetenter Helfer bei grippalen Infekten, einigen Schönheitsoperationen sowie beim Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Bei der Erkennung gefährlicher oder unbekannter Gebrechen taugt er nicht. Sofern er diese oder wirklich schwere Erkrankungen ahnt, zieht er sich unauffällig immer jedoch deutlich arrogant hinter Standardfloskeln, Aspirin und unbezahlte Praxisgebühren zurück. Er neigt an dieser Stelle dazu, sein Fachgebiet zu verlassen und beginnt fröhlich zu psychologisieren. Alles Mögliche fällt ihm als Krankheitsursache ein, vom Streß, über Partnerschaft, Blähungen, Prüfungen, zu vertrauensselig gelesenen Beiträgen aus Reformhausblättchen bis hin zur kompletten Einbildung.  Eigentlich ist er professioneller Berater bei der Behandlung einer Hypochondrie, der einzigen Krankheit, die er ohne Umschweife akzeptiert.
Wie beim --> Richter (Gerechtigkeit) wird auch sein Berufsalltag von einem Reizwort überschattet. Der auf Kooperation und geringe Schädigung bedachte Patient vermeide das Wort "Hippokrates". Davon wird der Arzt krank.
(mit Bitte um Vergebung bei - bzw. größter Hochachtung für die leuchtenden Ausnahmen; gequälte Überstundensklaven, echte Ärzte, berufene und kongeniale Engel, empathische Menschen, zauberhafte Schamanen und alle anderen Nothelfer).
2005

Bankgeheimnis

So richtig hat es ja sowieso nie existiert. Aber um Mißverständnisse zu vermeiden hat man es mit dem 1.4.2005 kurzerhand abgeschafft. Was daran zum Nachdenken anregt ist nicht der Umstand, sondern daß es früher anders war. Warum eigentlich?
2005

Bundesverfassungsgericht

Institution aus märchenhaften alten Zeiten. Als die BRD (sorry) jung war, als man einen demokratischen Auftrag spürte. Tatsächlich eine noch halbwegs funktionierende Einrichtung. Insofern nicht ganz up-to-date. Weitgehend ist es den unteren Gerichten ein Dorn im Auge, hebt zügellose und selbstherrliche Urteile auf. Beruft sich auf Dinge, die aus der Mode sind. Hat noch nicht erkannt, daß es bald selbst aufgehoben wird,. Steht einer umfassenden --> Privatisierung des Staates im Wege. Ist eventuell im Rahmen einer Privatisierung zu retten. Erste Interessenbekundungen kommen von Coca-Cola und Novartis. Voraussetzung wäre allerdings eine entsprechende Logoeinblendung in allen zukünftigen Urteilen. Der damit betraute Ausschuß des Deutschen --> Bundestages hat sich bereits positiv geäußert.
2005

Autofahrer

Ehemals die "Herren der Straße". Nun von den --> Fußgängern abgelöst. Autofahrer leben nur noch auf Autobahnen wirklich ungestört. In weiten Teilen ihres historisch fast unangefochtenen Reichs fristen sie jetzt ein Schattendasein. Immer bereit, von Tempo 20 herunterzubremsen, wenn ein Rentner seine eigenwilligen Schleifen auf dem Asphalt dreht. Bereit, sofort auszusteigen und selbstlose Hilfe anzubieten. Eine Entschuldigung auf den Lippen, daß es noch nicht gelungen ist, sich mit dem Lenkrad in der Hand in Seifenblasen aufzulösen. Der Autofahrer wird unter diesen Umständen noch geduldet. Vorausgesetzt wird jedoch seine Bereitschaft, praktisch jede innerörtliche Verkehrsführung als Tempo 30 Zone zu interpretieren - wo sich das absolut nicht vermeiden läßt wenigstens 15 Sachen Differenz bis zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit einzuhalten - und jedem an jeder beliebigen Stelle spontan auf die Straße zielenden Fußgänger eilig den Vortritt zu lassen wie wenn es die StVO bereits seit Jahrzehnten so vorsähe. Weitere Entwicklungen sind momentan offen.
Ausnahmen gelten nach eigenem Gutdünken noch für Audi-Fahrer und weiße Lieferwagen.
2005

Fußgänger

Fußgänger irritieren nicht nur auf Spielstraßen, Schleichwegen, Ortsstraßen oder gar Landstraßen, sie benutzen diese auch zusehends für Muse oder allerlei Bewegungsakrobatik. So war es früher üblich, eine belebte Fahrbahn eiligst und im rechten Winkel zu überqueren. Mittlerweile überwiegt der spitze, mit barocken Zwischenmustern ausgeschmückte Winkel. Bleute man uns einst noch ein, daß die Straße ein gefährlicher Ort ist wo man sein Leben lassen kann, so darf man das heute getrost ad acta legen. Ampeln und Fußgängerüberwege sind allenfalls etwas für Blinde (wegen des Summtons) oder Müttern auf vergeblicher Erziehungstour mit den Kleinsten. Ansonsten, kreative Entfaltung wohin man blickt.
Wir haben uns an die Fußgängerzonen gewöhnt. Aber damit nicht nur ein Stück Stadt oder eine verkehrsberuhigte Fläche zurück gewonnen -- nein -- alles, alles soll uns nun gehören !!
Und das wird ausgekostet.
Noch nie das empört-entgeisterte Gesicht eines Fußgängers bemerkt, der beim wilden Überqueren einer Straße ein herannahendes Auto erspäht? Sicher doch. Aber wer fährt heute in solcher Situation denn noch durch - in gebührendem Abstand wird der Wagen halten. Der  Fußgänger beflissen hinübergewunken, auch wenn der Autofahrer damit einen lebenswichtigen Termin verpaßt. Am vorwurfsvollen Blick des Irrläufers wird das leider nicht viel ändern. Seine Meinung stand von Anfang an fest: "Mörder, Raser, Kinderfeind".

2005

Demokratie

Es wird behauptet sie bestünde vor allem darin daß das Volk über regelmäßige Wahlen seine Regierungsvertreter wählt und auf diese Art mittelbar herrscht. Tatsächlich ist damit Folgendes gemeint: Das Volk geht regelmäßig auf die Straße und macht eine Demo, um den Vertretern zu zeigen, was es wirklich will.
2005

Geld

Eine trickreiche Erfindung von Leuten, die Geld haben.
1/2006

Globalisierung

Bemühungen verschiedenster Art, die uns glauben machen, die Erde wäre eine Kugel und die Welt ein Dorf. Alles unterliegt überall gleichen Bedingungen, ohne Zölle ohne Schranken, ohne Fehl und ohne Tadel. Waren- und Kapitalströme, blühend im ungebremsten Glanze ihres Glückes.
Globalisierung ist ein Mitglied der großen Familie der Eutermini (Gutbegriffe; sprich Eu-Termini, nicht Euter-Mini).
Damit ist nicht weiter hinterfragbar, ob damit auch oder vor allem negative Veränderungen einhergehen. Oder der gesamte Vorgang vielleicht nur ein paar Global Players nützt, sie stärkt und den Rest der Welt aus dem Globus räumt. Der Gutbegriff fungiert als Trojanisches Pferd und Hypnosewaffe. Wer mit ihm zweckdienlich in Berührung kommt öffnet bereitwillig seinen Geldbeutel und veröffentlicht seine Bankzugangsdaten im Internet.
1/2006

Journalisten, Grafiker und Webdesigner

Einstmals wurde die Botschaft von Mund zu Mund oder mit abgezogenen Tierhäuten überliefert. Philosophenschulen, Klöster, Fürstenhöfe bestimmten den Takt. Aufwendig, exklusiv. Dann kam die Buchdruckkunst – Revolution. Mit Folgen und Folgen. Wissen für die Massen,  Bibliotheken erschwinglich, Information verfügbar, Prächtig. Bis hin zum Internet so schallt es doch, Gutenberg er lebe hoch. Hoch Hoch. Auch die Freie Presse. Hoch! Und Radio Free Europe ! Ebenso der dazu gehörige  wuselige Jornalist. Der dauernd recherchiert, schreibt und so manisch engagiert ist. Beflissen - genau - vorbildlich. Aus der Sicht eines Mannesmannerben ein lächerliches Mannderl, aber immerhin - eine verläßliche Größe der Moderne. So verläßlich, daß sich am Ende sogar die Journalisten selbst - unbeteiligt zurückgelehnt haben. Außerdem wurde von jemandem entdeckt, daß der Leser die dröge Info eigentlich gar nicht so arg will. Eher Fun, etwas Spaßschreibe hier und da oder überhaupt. Ein Markenzeichen ist cool. Ein Branding steht über Auftrag und Qualität.  Allgemeines Bedauern, daß es für einen Schreibstil noch keinen Markenschutz gibt und man die Kollegen mit Abmahnungen überziehen kann. Hehe. So sei das. Na egal.
Aber aktuell - von wegen Enthüllung oder demokratischer Auftrag. Da würden uns die Bushs was husten. Der engagierte Posten ist nahezu verwaist und kein ECHTER wäxt nach. Daß währe ja auch zu aufwändig. Seid wir alle einen PC haben und eine Rechtschreibhilfe sieht man, das dass genügt um dabei zu sein. Seit nicht so kritisch, wir haben tolle Grafiker, Werbestudios, Webdesigner.. Eine peppige Präsentation bescheret höchstes Gück und dahinter muß sich der anspruchsvolle Inhalt zurückziehen. In gleichem Maße bläht sich das Selbstbewußtsein dieser selbsternannten Erben Gutenbergs ins Riesenhafte. So stehen sie nun und versperren den Eingang zu den Druckerpressen. Hoch ! Hoch ! Die Preise. Zum Glück bin ich tollerant.
2005

Kapitalismus

Wiederum eine Erfindung. Diesmal eines Herrn Müntefering. Eigentlich war er bloß neidisch und hat daher nicht ganz aufgepaßt was er sagt. Zweifellos ist es wunderbar, Gewinne nach Lust und Laune optimieren zu können und Angestellte zu Tausenden an die Luft zu setzen. Auch wenn es dafür im Fall nur den Gund gibt, daß es andere genauso machen würden und man vorsorglich also mit gutem Beispiel voranschreitet. Traditionalisten fällt hier möglicherweise noch der Name Marx ein. In der Tat, auch er hat das Kapital erfunden. Wurde aber in vielfältigen Rezeptionsrunden falsch verstanden, so daß man ihn besser nicht weiter erwähnt.  So gab es mal Leute, die glaubten, daß jeder der seine Miete zahlen kann und sich seine Zigaretten nicht selbst drehen tut automatisch ein Spießer und Kapitalist ist. Oder man dachte, es täte gut, gar  nichts zu besitzen und dafür Arbeit in einem Volksbetrieb oder an einer Mauer mit vielen Türmchen zu erhalten. Das wurde überwunden und daher gibt es auch keinen Kapitalismus mehr.
2/2006


Kreativität

Hier als Forderung an Arbeitnehmer und solche, die es werden wollen. Der Bewerber erhält den Eindruck, es handle sich um ein überaus notwendiges Qualifikationsmerkmal. Ihm wird vermittelt, das Unternehmen sei eines der Kreativsten überhaupt und wer dem entspreche werde es weit bringen, sehr weit.
Tatsächlich ein potemkinsches Dorf. Nichts dahinter. Oder doch. Wehe dem, der sich darauf einläßt. Das ganze Unternehmen wartet nur auf seinen selbstlosen und kreativen Einsatz. Ist etwas Brauchbares dabei, wird man es gleich für sich veranschlagen, man ist dort nämlich ausgezehrt ohne Ende. Und plötzlich taucht die zunächst schüchtern skizzierte, dann von höherer Stelle abgelästerte kreative Idee ganz sonderbar als die des Vorgesetzten wieder auf. Meist ist natürlich nichts derart Brauchbares dabei. Außerdem ist die Belegschaft ist mißtrauisch, und hängt am Bestand. Der unbelehrbar Kreative erhält allerhand Schmähungen, erscheint als zu wenig angepaßt und stromlinienförmig. Er wirkt als Fremdkörper, eckt an. Denn Kreativität enthält immer auch Kritik am Bestehenden und ist in sich selbstbewußt. Der Kreative wird einen anderen und eigenen Weg finden – oder im Mobbing enden.


Die Führungsriege bleibt tolerant, solange sie profitiert und der Kreative ihnen selbstlos zuarbeitet. Aber wie lange wird er das tun. Er kann es immer nur kurzfristig tun, denn er befindet sich in einem vorgefertigten Dilemma. Je besser er ist, desto gefährlicher sein Potential. Je besser er ist, desto mehr wird man darauf achten, ihn in Schach zu halten, also eben nicht zu fördern, sondern es ist immer notwendig, ihn auch deutlich schlecht zu machen, daß er seine wahre Stärke nicht erkenne. Derart gefangen wird er sich zunächst noch mehr anstrengen, noch besser sein. Das wird die Mobbinggefahr verstärken, ihn wiederum auspowern, er wird das Letzte geben. Bis er irgendwann erkennt, daß System dahinter steckt. Er fällt in Frustration. Man wird ihn ermahnen, aber es wird auf Dauer nichts nützen. Ihm wird schließlich ein netter schlichter Arbeitsplatz irgendwo im Feld der Stromlinienförmigen zugewiesen, sofern man ihn noch brauchen kann. Ansonsten, sie werden verstehen... Kündigung. 
Darauf Neueinstellung eines echten(!) Kreativen, der letzte war ja nicht viel wert.
Es gibt nämlich so viele, die sich verwirklichen wollen am Arbeitsmarkt und in einem wirklich kreativen, jungen, dynamischen Unternehmen. Das liest sich formidabel in den Stellenanzeigen und die Aktionäre finden das auch.

8/2006


Liberalismus

Ursprünglich eine Art Weltanschauung wonach dem Einzelnen und seinem Recht auf Freiheit maßgebliches Gewicht zukommt. Politisch entgegengesetzt zu Absolutismus jeder Ausprägung; ganz früh als englische Bill of Rights 1689 oder Erklärung der Bürger- und Menschenrechte der französischen Nationalverfassung von 1789. Je nach Gruppe auch vordringlich wirtschaftlich verstanden - Handels- und Gewerbefreiheit als wichtiges aber auch ausreichendes Ziel. Mit Adam Smith veredelt zur  Annahme, daß freier Wettbewerb und Handel den Egoismus der Menschen in für alle fruchtbare und verträgliche Formen lenke (gewissermaßen als sich selbst fortpflanzendes Ei des Kolumbus)..
Im deutschen Grundgesetz als Weiterentwicklung (soziale Marktwirtschaft), wonach freier Wettbewerb noch nicht schlechthin sozial und politisch befriedigend sei, der Staat soziale Rücksichten einzubauen und zu gewährleisten habe. Irgendwo dazwischen die neoliberale (Freiburger) Schule, wonach der Staat mindestens Freiheit des Leistungswettbewerbs bzw. diesen selbst gewährleisten müsse. 
Zusammengefaßt: Liberalismus historisch als Denkmodell und öffnende Bewegung in Hinsicht auf  feudale oder ausgrenzende Strukturen.

Heute: Bis in qualifizierteste Kreise hinein wird die neoliberale Schule mit einem relativ jungen aggressiven, weitgehend menschen- und verfassungsfeindlichen wirtschaftlichen Liberalismus globaler und neuartiger Ausprägung verwechselt (Neoliberalsimus). Bzw. andersherum - man hält den Neoliberalismus für etwas traditionsreich-Geprüftes und verfassungskonform-Harmloses. Es ist Mimikry was hier stattfindet - und die meisten aus anständigem (und unanständigem) Hause fallen darauf herein. Neoliberalismus wird derart als vermeintlich Gut durchgewunken oder noch gefördert.
Neoliberalsimus besteht auf möglichst wenigen staatlichen Eingriffen und erinnert, wenn überhaupt, dann an frühes englisches Manchestertum. Deregulierung ist das Stichwort. Seine Wortführer sitzen in großen Konzernen und den Vorständen der Global Players. Zu den abzubauenden staatlichen Schranken gehört auch sozialer Schutz jeder Art. Sein Ziel ist eigentlich nicht Wettbewerb und Matkwirtschaft sondern ein ungehindertes Agierenkönnen aus einer Position der bereits vorhandenen und weiter auszubauenden Marktmacht heraus. Man will freie Fahrt und Monopole. Problemlose Verdrängung, billigen Aufkauf letzter Konkurrenten, Übernahme staatlicher Ressourcen, Abbau von Handelsvielfalt und -risiko. Aufgabe letzter staatlicher Kontrollmöglichkeiten, um in Größenordnungen hineinzukommen, wo man nicht mehr kontrollierbar ist und diktieren kann. Um diesen Vorgang bis zuletzt gut zu verstecken, verhält man sich jedoch so, als sei man der bedauernswerte Krämer um die Ecke, den man fördern und schützen müsse.
Zusammengefaßt: Neoliberalismus als bisher gut funktionierender Versuch von Wirtschaftsmächten Handels- und Besitzvielfalt sowie demokratische Kontrolle zu reduzieren, idealerweise aufzuheben. Andere Kreise vom wesentlichen Geschehen zusehens auszuschließen. Alles unter Berufung auf ´Liberalismus`. Tatsächlich diesen ausnutzend, schließlich pervertierend und ihm wertungsmäßig ganz entgegengesetzt. Das angestrebte Ergebnis besteht in einem Neo-Feudalismus, bzw. Oligarchien und Monopolen.
1/2006

Markenrecht

Soll zusammen mit dem Patentrecht und ein paar ähnlichern Konstrukten all die engagierten Erfinder und Mehrer von Kultur, Zivilisation und Wissen schützen - sicherstellen, daß sie auch was davon haben. Von ihrem Geist. Damit wiederum wir alle. Und dieser immer mehr gemehrt wird. Für die Kultur der Geist, für die Wirtschaft die Marke. Praktisch ist, daß ein paar zufällig oder bösartig verblendete Bürokraten eines Nachts die Vision hatten, daß schlichtweg alles eine Marke sein kann. Das ist gut für die Wirtschaft und nebenbei für die Anmeldegebühren der Markenämter. Seither gibt es viel Stau dort vor den Türen, Der eine will schnell noch sein Mundwerk als Marke anmelden lassen, der andere die Pyramiden von Gizeh, der nächste die Mutter Gottes solange sie noch da ist und weitere streiten sich ums Recht auf den Lieben Gott. Freilich läßt sich auch ein Patent als Marke anmelden oder eine Marke als Patent. Ist fast egal, kostet aber extra und wer zuerst kommt mahlt zuerst. Wobei man das modifizieren muß, wer am meisten Rechte einkaufen oder verhindern kann, mahlt am meisten. Das heißt, an ihn müssen dann alle Lizenzgebühren zahlen. Im Klartext, wer am Vereinsabend in trauter Runde `Stille Nacht` trompetet oder singt oder zu Singen oder Trompeten anstiftet oder Beihilfe leistet, wird an einen großen amerikanischen Konzern zahlen müssen. Der Pfarrer am Sonntag wiederum ähnlich in Grün wenn er vom Lieben Gott berichtet und dabei Markenrechte eines großén russischen Konzerns verletzt. Das Paar in der Nachbarschaft, wenn es sich naiv und nichtsahnend vermehrt, sträflich die Tatsache vernachlässigend, daß die Mutter ein lizenzpflichtiges Gen einer amtlich geschützten Marke in sich trug. Hier kann immer auch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung drohen, die kostenpflichtige Abmahnung sowieso.
Im Ergebnis: Erfreulich, wie es wächst, sich mehret und gedeihet. Zum Wohle aller. Wie die Marke nach nach Luft, Erde, Sonne - Schöpfung greift. Dies alles zu veredeln - und die Kultur und den Geist.
1/2006

Matriarchat

Üblicherweise eine Gesellschaftsordnung, in der die Frau die bevorzugte Stellung inne hat. Daher geschichtlich auch so wenig verbreitet. Voraussetzung wäre, daß Frauen sich befragen, was denn nun ihrer Ansicht nach die bevorzugte Stellung sei - und dabei auch noch zu einem gewissen Schluß kommen.
1/2006

Parteien

Die gehören zur Demokratie und stellen sicher, daß es immer jemanden gibt, den man wählen kann. Dabei ist es wichtig so zu tun, als gäbe es zwischen ihnen grundverschiedene Meinungen und der jeweils andere sei für alle Fehler der Welt zuständig. Die eigentliche Regierungsarbeit besteht darin, möglichst wenig zu handeln (um keine Fehler zu machen) und dabei große Aktivität zu entfalten. Sollte einmal wirklich zu handeln sein ist es wichtig, zunächst klarzustellen, daß politische Gegner an der Misere schuld sind. Wurde dies mit Sprechorganen und Medienbeteiligung gegenseitig vollständig dokumentiert und herausgearbeitet muß man Geduld üben und abwarten, bis sich eine Bürgerinitiative der Sache annimmt.
2005


Patriarchat

Gesellschaftlicher Zustand, den man erhält, wenn man den Haushalt den Frauen überläßt.
2/2006

Privatisierung


Richter

Wie der Arzt eine Berufsfigur mit neurotischer Grundpersönlichkeit. Dort Hippokrates, hier das Wort Gerechtigkeit. Es kann sehr amüsant sein mitzuerleben, wie sich das jemand so vorstellt - der sein Leben lang noch nie mit einem Gericht zu tun hatte. Schlimmstenfalls zwischen 1963 und 1990 eine westdeutsche Schule besuchte Dort eventuell sogar mit den Begriffen Rechtsstaat, Menschenrechte, Staatsbürgerkunde zusammentraf. Hier erhielt der Richter den uneigennützigen edlen Auftrag  Demokratie und Gesellschaft zu stabilisieren, zu gewährleisten. Genau dafür gab man ihm die richterliche Unabhängigkeit (nicht zum Geschäfte machen, endlosem Privatisieren oder tragischem Aktendeckelabhaken). Innerhalb eines Systems verteilter Rollen - mit Parteien, freier Presse, mündigen Bürgern. Ach, man könnte schon wieder schmunzeln.
Den heutigen Richter ficht das überwiegend überhaupt nicht an. Warum auch, warum soll gerade er die letzte Ausnahme sein. Wenn die Presse nunmal nicht mehr frei sein will, der Bürger schon lange nicht mehr so heißt sondern Konsument und auch davor noch nie mündig sein wollte - die Parteien  zunehmend mit ihrer bloßen Existenz beschäftigt sind. Ruhen wir uns weiter aus auf den spärlichen und abgeschlossenen Jahren engagierter Richtersprüche, auf dem beherzten Wurf der Verfassung, den großen Kodifikationen des vorletzten Jahrhunderts - welche atemberaubend gemeinschaftlicher und gemeinschaftserhaltender eingestellt sind als eine durchschnittliche Staatsraison heutiger Tage.


Die Geschichte des Richters beginnt irgendwo zwischen germanischen Thing-Versammlungen, Priesterorakeln, Stichentscheidungen von Königen und Henkersmahlzeiten. Tatsächlich war der Henker immer ein wichtiger Richter, manchmal der einzige. Er trug eine schwarze Maske, damit er sich nach dem Urteil nicht so schämen mußte. Das Problem haben wir heute nicht, der Richter schämt sich für nichts mehr, aber man könnte diese Reduktion der Tracht anregen, es würde Stoff sparen und damit Justizkosten(!).
2005

Rotengeschwätz

Gemeint ist etwas Politikbezogenes, nicht der Gesang des Hausrotschwänzchens. Dazu muß man wissen, daß die Farbe Rot aus unverständlichen Gründen weiterhin von sogenannten Linksparteien beansprucht wird. Unverständlich, weil Rot die Erkennungsfarbe des Reichs des Bösen war. Dieses ist  außerdem untergegangen. Ein lausiges Branding also.
Bekannt ist ja auch, daß es einmal eine rechtschaffene, ruhige und zufriedene Zeit gab, Vor der vorletzten Jahrhundertwende. Mit gutverdienendern Fabrikanten, Nationalstolz und einem Kaiser gar.  Dann tauchten plötzlich Leute auf, die sich irgendwie sozialistisch nannten. Sie kamen sogar verschiedentlich an die Regierung. Seither gab es zwei Weltkriege, verlorene dazu! Seither gibt es Umweltverschnmutzung, Ozonlöcher, herrschsüchtige Islamisten, Sozialhilfe und steigende Bierpreise.

Doch glücklicherweise haben sich diese Sozialisten bereits vor dem Untergang des Reichs des Bösen mit ihrer Sprache selbst geoutet und wurden somit erkennbar. Typisch ist das Denken in "Systemen", die Begriffe "Kapitalismus, Ausbeutung, Spießer, Diskussion, Grundgesetz, Mitbestimmung". Seit der Wende darf man in der Nähe dieser Begriffe nicht mehr operieren. Das ist ganz schlimm out. Wer dabei erwischt wird ist untendurch oder wird höflich und angemessen mit dem Hinweis "Rotengeschwätz" darauf aufmerksam gemacht. Erfreulicherweise haben jüngere Jahrgänge das spontan kapiert und ehemals erfolgreiche Wissenschaften wie die Kybernetik sind zurecht in Vergessenheit geraten. Vereinzelt gibt es freilich noch alte Haudegen, die die Farbe Rot weiter für eine gute Idee halten, manchmal sogar alte Begriffe benutzen. Sie wundern sich grün und blau, daß ihre Parteien immer weniger Punkte bekommen. Sie übersehen gründlich, daß man ihnen vom Terroristen über den Revoluzzer bis hin zum Ausländer so ziemlich alles anhängen kann. Die anderen brauchen sich dabei nur bequem zurückzulehnen, die gute alte Zeit ohne Rot zu beschwören und gelegentlich ein paar kleine Intrigen zu landen. So einfach ist das.
2005


Spaßgesellschaft

Gemeinschaft von Menschen, die verantwortlungslos sind, keine Werte mehr verfolgen. Moral, Religion, Anstand, gesellschaftliches Engagement, manchmal sogar Familie werden als zu aufwendig durchgewunken. Äußerlich erkennbar an aus dem Boden schießenden Reisebüros, Autohändlern und Fastfoodketten. Unausgesprochenes Credo der Spaßgesellschaft ist die Überzeugung, daß man sowieso zum Untergang verurteilt und nichts zu retten sei. Geleitschutz bekommt die Spaßgesellschaft durch esoterische Selbstfindungsriten und Vorbildprozesse aus Politik und Wirtschaft. Individuen betreiben Bungee-Jumping, Couching, Cocooning, Schnäppchenjagd oder reduzieren ihren Sprachschatz vorsätzlich auf Worte wie "geil, cool, abgefahren".
Noch vor ihrer richtigen Blüte in Verruf geraten durch exzessives Auftreten von Schildmützen bzw. Entenjägerkappen (sogenannte Deppcaps), einfältige Blumenhemden, sinnloses Herumgolfen und Autolautsprecher, die nur laute tiefe Bässe abbilden.
2005

System

Eigentlich Ausdruck für ein mehr oder weniger geschlossenes begrifflich ansprechbares Ganzes, das gewissen inneren Regeln gehorcht und aus Elementen besteht. Wie zum Beispiel ein Sternensystem oder ein Betriebssystem. Als Teil des --> Rotengeschwätz sprachlich aber tabu und unverwendbar. Es gibt also keine Systeme mehr und die Welt ist wieder eine flache Scheibe, Systemwetten beim Lotto sind zum Scheitern verurteilt.
2005

Wettbewerb


Zuhörer

Der kompetente Zuhörer
Er ist eigentlich Profi und meist Spezialist. Man sucht ihn auf oder zitiert ihn her. Ganz grundsätzlich braucht man unbedingt  seinen Rat, denn die Situation ist vertrackt, die Not groß und niemand konnte helfen. Da endlich findet sich einer, der sich auskennt. Was geschieht? Der kompetente Zuhörer wird zunächst atemlos zugetextet. Aufgeregt zugetextet. Aber schön, der Spezialist gewinnt den befriedigenden Eindruck sehr gefragt zu sein...
Und assimiliert in Rekordzeit angestrengt alles Geschilderte. Gibt mehrfach sein Bestes ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben. Gedankenbilder entstehen, Pläne, Landkarten, Lösungsskizzen. Werden verworfen, im Sekundentakt neu entworfen und verwoben. Das geschilderte Problem gewinnt fortlaufend Gestalt in seinem Innern, erste Worte bahnen sich zögernd ihren Weg - pädagogisch abgewogen, sorgsam gefiltert - zugeschnitten und schließlich punktgenau zugefertigt auf genau diesen armen geschundenen Problemfall. Vier, maximal fünf Absätze wird er zur Darlegung brauchen! Eine kurze Übersicht vorneweg, mal sehen. Dann eine Grobgliederung aller Lösungsmöglichkeiten, ein paar Beispiele – und zum Schluß die persönliche Empfehlung, ja so wird er es tun...
Da wird ihm plötzlich das sorgsam vorbereitete Wort abgeschnitten. Der Spezialist verstummt erschüttert, sicher ein Zufall. Beginnt irritiert neu. Zwei geniale Worte wird er los, dann hoppla, wieder abgeschnitten. Zugetextet, der Wortschwall geht weiter. Geht endlos weiter, keine Lücken mehr, keine Kanten oder Falze. Nun sucht man auf einmal intensiv seinen Augenkontakt, redet aber weiter ohne Unterlaß. Der Spezialist nickt vorsorglich, nickt, nickt und lächelt probehalber, nickt schließlich immer mehr.
Da, das Gesicht des Problemfalls hellt sich auf. Er lächelt zurück, das erste mal. Sagt was wie "Sie haben mir sehr geholfen" und will schon gehen.
Tat sich eben ein Zugang auf? Der andere war unaufmerksam, hat irgendwie gelächelt! Schnell nachgefaßt, mit blitzgescheitem Konter des Spezialisten. Der Profi setzt treffsicher an - und wird im Handumdrehen tatsächlich zwei Gliederungspunkte los sowie ein „ja aber“. Doch da, der Gepeinigte steht bereits, kommt auf einmal wieder der Wortschwall. Weiter weiter, immer weiter. Alles vergebens? Hört sich nicht alles erschreckend wie der Anfang an? Verwirrt, schief gewickelt und mit tütenweise Wunderglaube zwischen den Zeilen. Ja, ein Wunder, denn der Problemverfolgte dankt an der Türe überschwenglich, lacht fast erleichtert - "Sie haben mir wirklich sehr geholfen".
Geht und spricht "ich komme wieder...".
Fazit: Es geht nicht um Auskunft oder Logik, auch nicht um Kommunikation. Der kompetente Zuhörer muß schweigen, er wird als Götze benötigt. Bei ihm wird nur alles abgeladen. Es ist eine Ableitung und Anrufung. Er muß ab und zu bloß leicht nicken, kompetent natürlich, und der Ablaß ist gewährt, der Segen erteilt. Nun kann nichts mehr schief gehen. Die Beladenen sind Entladen und haben sich in das Wunder der Kompetenz eingehängt. Ebenfalls erfolgreich sind sie nun. Drücken der Reliquie gerührt die Hand, loben Gott oder auch nur den guten Tag und werden natürlich bald wieder kommen.
2005




Was nur Mann und Frau etwas angeht

Dieser Punkt ist leider nur noch nur über den geschützen Bereich erhältlich.




Was Augsburg betrifft

Friedensstadt

Finanzen

Mozartstadt

Weil der studierte Theologe Leopold Mozart hier geboren ist und zwar genau am 14.11.1719 im Mozarthaus. Sein Vater ist Buchbinder gewesen. Sein Sohn wurde ein Musiker.
2/2006

Umweltkompetenzstadt


So genannt, da hier dringend jemand mit Umweltkompetenz benötigt wird. Landauf landab vebreitete sich schon seit längerem der Ruf, aber es wollte niemand darauf eingehen. Da kam man auf die Idee, vor Ort ein Umweltkompetenzzentrum zu gründen. Denn, um es mit einer Weisheit aus der Kommunalpolitik zu verbildlichen, wo die neugebaute Straße ist, wird der Verkehr schon noch kommen. Sagte man sich. Und es geschah auch etwas. Alle kamen, auf der Suche nach Umweltkompetenz.
Weh, ein schreckliches Mißverständnis. Suchende wurden um Suchende vermehrt.
Nun war man noch ratloser als früher. Siehe auch --> Wertach Vital.
3/2007


Wertach Vital

Im Einzelnen ein Projekt der Stadtverwaltung, des Stadtrates, des Wasserwirtschaftsamtes; jedenfalls zuständiger und naturliebender Stellen. Die Wertach ist ein Fluß, soviel ist sicher, der Augsburg westlich durchzieht. 1999 hatte er mal Hochwasser, oder sie. Weil ein Wehr brach irgendwo gab es auch viel zu leiden. Der Wehr oder das, ist wieder ganz. Einen anderen flußabwärts hat man gleich völlig entfernt. Weil wo kein Damm ist kann auch keiner mehr brechen. Die Reste stehen jetzt im Zoologischen Garten. Die Wertach oder der, hat sich seither massiv eingegraben. Man sieht jetzt im Flußbett sogar Spuren römischer Brückenköpfe, keltischer Fischerdörfer und bronzezeitlicher Erstbesiedlungen. Selbstverständlich ist das geheim und muß es bleiben, sonst wäre das Denkmalamt zuständig und dieses mag man nirgendwo gerne.
Vital, weil sich das engagiert anhört. Möglicherweise auch weil in der Nähe einige Seniorenheime sich befinden.
Hier gibts mehr Wertach Vital.  
2005-3/2011





Tragische Irrtümer

Der ehrenhafte Mensch
(ist eher dort wo man ihn nicht vermutet und  dort nicht wo man ihn annimmt)

Wo also nimmt man ihn an? Bisher im Kreise der Ärzte, Richter, Wissenschaftler - beispielsweise. Diese Menschen sind von Haus aus selbstlos, nur einem überragenden Ideal verpflichtet. Der Gesundheit, der Gerechtigkeit, der heren Wissenschaft. Wenn einer aus dem Volke zaudert, stolpert, erkrankt - dort wird er Genugtuung finden, echte gottähnliche Hilfe. Auch das Volk als Masse profitiert von ihnen, niemand arbeitet ihm so wirksam zu, gestaltet, erfindet, visioniert, trägt die schwerste Last ohne Murren.

Tatsächlich war das so gedacht und hat diesen Berufenen auch viel Vorschußlorbeer, Achtung, Vergünstigungen eingebracht. Ideologischen Freiraum, der wo anders schon lange Mangelware ist. Laßt uns alles von dort Kommende weiter pauschal für bare Münze halten! Sonst würden wir in Depressionen versacken und einen Arzt aufsuchen müssen..
2005


Multitasking


Mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, bzw. das zu können.
Bekannt von Musikern, die einige Rhytmusinstrumente simultan bedienen und darüber hinaus singen, sich mit dem Publikum unterhalten oder jonglieren. Ähnlich  Frauen, die einparken, obendrein telefonieren und mit dem Beifahrer reden.
Das Multitasking zerfällt derzeit in seine Einzelteile und versucht gleichzeitig über sich selbst hinauszuwachsen. So kann es geschehen, daß man sich beim Gehen wundert, nebenbei mit seinem BegleiterIn zu sprechen und verwirrt inne hält.
Andererseits ist es im Beruf zur Gewohnheit geworden, vielerlei Offenes auf dem Tisch zu haben, der Kopf in den Emails steckt, man Telelonate entgegen nimmt, dem Postboten öffnet und Mitarbeitern Anweisungen gibt, obwohl man eigentlich auf die Toilette wollte. Vom Essen ganz zu schweigen.
Jüngere Zeitgenossen wachsen bereits im Multitasking auf, erledigen während des Alltags an ihrem Spartphone lückenlos eine Vielzahl von Tasks und Tippereien, befragen Naviapps, während sie den Weg in die Nachbarstraße suchen, joggen, essen, fröhlich mit anderen beisammen sind oder sich mit ihrem Liebsten getroffen haben.
Allgemein noch undiskutiert, aber bemerkenswert ist der Multitaskingentzug.
Er tritt im Büro auf bei Über- oder Unterschreitung des bekannten Multitaskinglevels und erzeugt Ratlosigkeit mit stundenlanger Aktionshemmung. Ähnlich bei der jüngeren Generation, wenn sie zwischen Einschlafen und Aufwachen ohne Smartphone ist. Insbesondere während wacher Zwischenphasen oder wenn sie sich wundert geträumt zu haben obwohl das Handy ausgeschaltet war. Dann ist es gut, es immer angeschaltet bei sich zu haben. Als miterheblicher Entzugsfaktor sei auch der Strahlungsentzug zu diskutieren.
Man begegnet ihm im tiefen Wald, Funklöchern oder WLAN-freien Wohungen, deren fehlgeleitete Bewohner offenbar nur an sich denken und sich womöglich freuen, wenn sich Strahlungsbedürftige in ihre Nähe verirren und dann leiden müssen – oder gar gesunden und dafür üblicherweise keinerlei Erklärung finden. Wie fies ist das denn.
2/2021


Volksweisheiten und ähnlich Gereimtes

Bei Aussagen, besonders Wahrheiten und Erkenntnissen, ist der Kontext überaus entscheidend. Einige werden sich noch an den Schulunterricht erinnern, wo es zu Beginn einer Aufgabe zum Beispiel hieß „Menge der x für die gilt...“.
In der klassischen Wissenschaft geht man von einer Eingangsannahme aus und muß diese, wenn sie nicht trivial ist, auch benennen. So läuft es wiederum mit Hypothesen. Angenommen gewisse Vogelarten könnten plötzlich nicht mehr fliegen – was würde sich daraus ergeben? Angenommen, es gäbe keine Menschen mehr, was daraus?
Einfache, zuweilen auch polemisch orientierte Zeitgenossen unterlaufen das und lassen Kontexte weg (oder speisen sie als trivial ein). Propaganda arbeitet ähnlich und verzaubert durch das verdeckte Zufügen von wirksamen Kontexten, die an der Stelle gar nicht vorhanden sind.
Dieses „Wenn – dann“ und der hypothetische sowie der thesenartige Ansatz sind grammatikalisch dem Konjunktiv zuzuordnen. Wenn ich eine Million hätte, würde ich nicht mehr arbeiten. Wenn morgen die Welt unterginge würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Wenn X der Täter wäre, wäre Y der Mittäter. Wenn ich besser aufgepaßt hätte, wäre das nicht passiert. Wenn wir ein Auto hätten, müßten wir morgen nicht laufen. Ich könnte mir vorstellen, nach Italien zu fahren.
Der Konjunktiv ist allgegenwärtig. Er träumt auch gerne, malt sich aus, visioniert, ist kreativ. Er ist geradezu eine determinierende Größe des Menschseins.

Trotzdem ist seit Jahren festzustellen, daß er den Menschen abhanden kommt. Er ist irgendwie out, wird von vielen ´nicht mehr gekonnt´.
Wenn ich eine Million hätte, würde ich nicht mehr arbeiten. Wieso? Du hast doch gar keine Million ! Und wir müssen leider laufen, haben nunmal kein Auto !
Und warum könntest du dir Italien nur vorstellen, wie diffus ist das denn – willst du nun nach Italien fahren oder nicht ?
Der Konjunktiv ist nicht weg, er wurde okkupiert.
Wenn wir denken wir hätten die Wahl, so wurde die Wahl doch längst für uns entschieden und wenn wir ein Bananenjoghurt kaufen wollen, so wird es das nicht geben sondern gar keins oder 100 andere die man uns zu wollen lehrt und wir merken, wie gut das ist. Wenn wir die Impfung hätten, würden wir wieder in die Ferien fahren können. Wenn wir uns wohlverhalten, wird alles gut. Wenn wir nicht solidarisch sind, wird alles schlimmer. Wenn wir nicht gehorchen werden wir bestraft. Wenn wir träumen, sind wir gefährliche Phantasten.
Wenn wir leben, ist das nur die gesteuerte Illusion einer Matrix. Wenn wir denken wir seien wer, so sind wir doch nur ein Bündel Zellen. Wenn wir sprechen, so spricht es mit uns und wenn wir denken, dann denken wir zu denken.

4/2021

 




Zuletzt geändert: 01.11.2017, 20:47:12