Sternstunden?


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04.07.2012
Angesichts der aktuellen Entwicklungen plaziere ich hier nun doch noch einen Eintrag. Eigentlich wollte es mit dem letzten vom 20.3.12 bewenden lassen. Am 29.06.2012 hat der deutsche Bundestag dem ESM mit 2/3-Mehrheit zugestimmt. Der Text wurde der Übersicht halber hierhin ausgelagert (ESM).

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20.03.2011
Diese Beiträge sollten Wendepunkte einer gesellschaftlichen Entwicklung festhalten, von der man später (wieder-)einmal sagen wird, es sei "unerklärlich, wie alles soweit kommen konnte".

Der Antrieb dazu stammt aus den 80gern und den Jahren nach der Wende. Einer vergleichsweise ruhigen Zeit, zu der man den Wutbürger noch nicht kannte. Eine Zeit, in sich der sich aber auch der Charakter des Konsumbürgers zu vollenden begann und auf Seiten der Wirtschaft erste Raubzüge sichtbar wurden.
Die Menschen hatten damals Lukrativeres zu tun, als Außenseiterstudien zu betreiben und räkelten sich wohlig in den beglückenden Verheißungen des Marktes. Wem die tägliche Fülle nicht reichte, der nahm Kredite auf und viele befeuerten mit großer Energie die Finanzierung des bezuschußten Eigenheims. Welches sich jeder leisten konnte, so war es verkündet.

Eliten galten als verdient und als wesentlicher Betandteil eines aufstrebenden Landes, einer intakten Kapital- und WIrtschaftsmaschine. 

Doch die schöne Glückspflanze war offenbar falsch angewachsen.
Die Eliten entpuppten sich als lobbyverseuchte Hydra, die desto faschistischer wurde, je länger man sie gewähren ließ. Sie begann, sich feudal in sich selbst zu verlieben oder war es immer schon. Nebenher säuselte sie weiter ihr magisches Lied vom Markt und den Verheißungen für alle.
Die Masse glaubte das gerne und wünschte sich beständig mehr vom Geist, den sie begreift.
Und sie ließ sich nicht aus der Hypnose heraushelfen, weil sie Helfern mißtraut und lieber etablierte Verräter begrüßte.

Mittlerweile wurden viele der unten formulierten Ausrufezeichen von der Realität überholt. Mal grausam, mal hanebüchen. 
Intellektuelle Selbstquälereien halfen noch nie viel, sie helfen seit Jahren immer weniger. 

Wo stehen wir heute?
Der gemeine Kommunismus ist zum Glück erledigt. 
Kapitalismus wiederum - war dazu auserkoren, Kapital anzuhäufen.
Es war abzusehen, daß er dabei nur solange im Schafspelz wandeln würde, als er noch schwankend im Sattel saß.
Er vergibt keine Geschenke an die Verbraucher !
Geiz ist nur solange geil, wie man die Macht noch erringen muß.
Mit Kuchen und Wein hat man ein naives Kind auf die Straße ins versprochene Paradies geschickt. Doch am Weg baute man eine Mautstelle nach der anderen auf und nahm ihm den Kuchen lächelnd wieder ab. Der Weg wurde mühsam, Hunger und Verwirrung stellten sich ein. Unwetter zogen auf und böse Terroristen. In seiner Not nahm es den angebotenen Unterschlupf gerne, auch wenn er etwas eng erschien.

Hat man das Kind in der Hütte, fällt die Maske.
Kapital sehnt sich nach Monopolen und etabliert diese seit Jahren in zunehmender Zahl.
Unter verschiedensten Vorwänden entstanden globale Vermachtungen.
Die Bauern sind gefallen. Die weiße Königin steht exponiert an der Seite ihres zitterenden Königs.
Aufgeschwemmt und apathisch wundert sich der Konsument und kann es nicht glauben: 
Die schwarze Mannschaft dominiert das Spiel, der weißen droht Schachmatt.

Es gab ein Zeitalter der Renaissance. Dann eines der Aufklärung. Man sprach vom aufstrebenden Verstand.
Man erlebte zeitlose Momente, als Menschenrechte formuliert wurden.
Erinnerst Du Dich?

Es gab Jahre, in denen Tausende starben und niedergemetzelt wurden.
Doch man erlebte auch Jahre der Katharsis und große Neuanfänge wie nach 1648, 1789 oder 1945.

Viele gaben das Leben für ihren Glauben, im Krieg, im Aufstand, der Unterdrückung.
Könnt ihr sie zählen? Die Christen, Katharer, Hugenotten, Zigeuner, Juden, (...)?
Für wen starb man an der Beresina. Verdun, Isonzo, Alpenfront. Vietnam, Afghanistan.
Für wen starben die Hexen auf den Folterstühlen der römischen Kirche ?

Wir stehen in ihrer Schuld. 

Wann habt ihr vor, selbst zu Opfern zu werden?
Geiz ist nicht geil, E10 eine Mogelpackung. Und Reichtum besteht aus Akkumulation. Manchmal zäh erarbeitet, manchmal erhandelt.
Aber im größtem Erfolg: Geraubt.
Der Erde genommen oder den anderen Wesen.
Wir bekam Kuchen und verhielten uns ruhig. Wir waren ja beteiligt, als die Gewinne privatisiert wurden.
Nun wird der Wein zusehends sauer.
Das Schiff mit den wirklichen Gewinnern, hißt Fahne auf Fahne zu neuen Kaperzügen.
Es dröhnt lauter und lauter und ist größer denn je.
Wir bleiben an Land und sozialisieren Verluste.
Die Gewinner sind unerreichbar - auf hoher See.


Wie kommts?
Es ist doch sicher nicht möglich, daß wir einer großangelegten Lüge aufsaßen.
Wir tun im Zweifel ja das Vorgegebene und wissenschaftlich Geforderte !
Dabei steht die Frage an die Landratten schon lange im Raum:
Für welchen eurer geliebten Nachkommen verspeist ihr Gen-Food und stapelt Atommüll?
Weshalb weilt ihr auf Honolulu oder unternehmt Kreuzfahrten um Kap Horn, anstatt DIESES LAND am Leben zu erhalten?

Warum glaubt ihr an "Arbeitsplätze" und überlaßt die europäische Heimat internationalem Management?
Den Arbeitsplatz als solchen gibt es nicht. Es gibt allenfalls Arbeit. Und verkaufbare Güter und Ressourcen.
Ihr haltet "Liberalisierung" für etwas in sich Gutes. So wie sie betrieben wird, bildet sie aber nur große Monopole.
Staatliche oder solche von großen Konzernen.
Sie lächeln über eure Naivität und zetteln großartige Erpressungen an.
Dabei müßtet ihr es wissen.
Habt ihr noch nie Monopoly gespielt oder Mühle ?
Ihr kennt sie doch, die Zwickmühle.

Wer wird das Land mit Idee, Menschenrecht, Kreativität und neuen Ansätzen versorgen, wenn ihr es nicht tut?

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21.11.2010

Ab dem 14.02.2008 besteht eine Lücke in den Eintragungen. 
Der Grund dafür liegt nicht in einer vermutbaren Sprachlosigkeit über die allgemeinen Ereignisse, sondern ganz profan in zu hoher  geschäftlicher Belastung. Für die Fehlzeit sind Vornotierungen vorhanden. Sie werden bei passender Gelegenheit nachgeführt. Eine Fortführung über den 20.03.2011 hinaus ist aber nicht vorgesehen.

Nach fast 6 Jahren schriftlicher Beobachtungen steht fest, was sowieso bekannt ist. Es ist vor allem die Summe der Details, die den Schaden erzeugt. Und soweit es Verantwortliche gibt sind sie so schlau, kaum Beweise zu hinterlassen. 

In seltenen Fällen kriegt man Akteure von HydraAlpeAdria-Geschichten an den Wickel. Häufiger begegnet man Ihnen vor dem Arbeitsgericht, wo sie Boni und Tantiemen einklagen. Die Unterweisung in Ethik hat versagt, falls es irgendwo irgendwann eine gab.

Was offenbar niemals versagt, ist das Anspruchsdenken und die von der Werbung hochgekochte Gier.
Sei es im gutbezahlten Aufsichtsrat, sei es am Wühltisch im Kaufhaus. Oder im Discounter, zu dem man seinen üppigen Geländewagen lenkte, um 100 Liter Sonderangebot an H-Milch einzukaufen. Über die davon strangulierten Bauern macht man sich wenig Gedanken. Schließlich agiert man rational und reagiert berechtigt auf vorhandenes Angebot. Man verkörpert ja bloß den Markt. Der sich bekanntlich auf unerforschbar geniale Weise selbst reguliert.

Es wirkt die Summe der Dummheiten und Unterlassungen, der allgemeinen Bequemlichkeiten. Es sind auch fast überall Verzögerungen zu verzeichnen, die kaum jemand für möglich hält oder überblicken will. Und bevor jemand offensichtlich schuld ist, kann er sein Mandat weiterreichen oder geht in Pension. Die Jongleure des Geschehens schätzen wiederum die Möglichkeit, Schuldige am Wegesrand der Oppositionen und Minderheiten aufzusammeln. Es gibt ja so viele, die sich als Sündenböcke anbieten.

Falls sich ausnahmsweise keine Sündenböcke anbieten, muß man sie züchten.
Im passenden Zeitpunkt wird man sie genußvoll teeren und federn. Das ist, wenn die aufgewiegelte Masse die Schlachtung einfordert.
Belästigt vom Anblick der Sündenböcke und empört über deren große Schuld.
Die Masse, das sind auch intellektuellste Intellektuelle. Sowie Journalisten, die das Recherchieren verlernt haben.

Es ist so oft das Volk selbst, das sich seine Eliten schafft und sie erfindet. Es erhöht gar gerne und räumt abergläubisch Rechte ein.  Dann kann es sich an seinen Vorderen berauschen.
Aktuell sehen wir keinen Hitler, aber das Volk wird im Zweifel einen finden.

Das Volk läßt sich zur Not sogar willig unterdrücken. Nicht selten scheinen Ketten angenehm
Eine unbekannte Kraft kramt diese Ketten immer wieder heraus. Schafft Freiheiten ab, rechtfertigt, heißt Enge und Überwachung gut. Letzte Kritiker werden dann von Großen und vielen gehorsamen Kleinen plötzlich gemobbt, kaltgestellt.
Die Öffentlichkeit vergärt zum schizophrenen Monster. Niemand weiß es und trotzdem wissen es alle.
Die vermeintlich harmlosen Feuerchen am Wegesrand, die so lustig und befeiend auflodern, wenn man Öl hineinschüttet, sie nähren Unterdrückung und Diktatur. Wer schüttet?
Es sind einige Große, aber auch viele gehorsame kleine Biedermänner und Brandstifter.

Das hochkonzentrierte Kapital tut es sowieso. Aber auch die Masse der Bevölkerung selbst mißtraut der Freiheit "im Zweifel".  
Hieß es denn nicht, "in dubio pro libertate" ?
Es braucht nur einer kommen und unter einem Vorwand behaupten können, Freiheit sei schädlich:

Dann ist sie plötzlich hinderlich für jede als wichtig präsentierte Art von interstellarem Fortschritt oder bei der Aufzucht von Kindern.
Dann ist sie eine Bremse bei der Beseitigung des Welthungers, der Behandelbarkeit einer aussichtlosen Krankheit oder des Lebensunglücks von Behinderten. Sie blockiert sowieso chronisch alle effizienten Methoden der Verbrechensbekämpfung .
Alsbald sind Mehrheiten bereit, die mit dem Blut von Generationen erkaufte Freiheit anheim zu stellen. 

Zum Ausgleich erhalten wir Parolen. Oder die Segnungen moderner Kommunikation. 
Inklusive der Möglichkeit, seiner Liebsten in belebten Fußgängerzonen eine SMs zu schicken.
"Hi Spatzerl,denkan Dich. Bg. id Fußgerzone+schick ne SMS- D. Mäuserich !8".

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(An dieser Stelle sind noch nicht umgesetzte Zeitungsausschnitte und Informationen)
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14.02.2008
"Politikerin der Linkspartei fordert neue Stasi". Ein Artikel bei Welt-online von Franz Solms-Laubach.
Christel Wegner nimmt im neu gebildeten niedersächsischen Landtag ein Mandat für die Partei "Die Linke" wahr. Dem Bericht nach zu schließen erfreut sie sich besonderer politischer Ansichten. Demnach (Artikelzitat) ´...rechtfertigte sie neben ihrem Wunsch nach der Wiedereinführung der Staatsicherheit auch den Bau der Mauer´.
Hitzletter muß einräumen, daß die Wiedervereinigung bei vielen ein ungutes Gefühl hinterlassen hat...

Ohne mit der entsprechenden Partei sympathisieren zu wollen, ist anzuerkennen, daß sie in kurzer Zeit und zähem Ringen eine beachtliche Gruppierung schmieden konnte. Inklusive der jüngsten Wahlerfolge und einer zumindest behaupteten Repräsentanz von weiten Bevölkerungskreisen, deren Stimme politisch mißachtet erscheint. Da kommt die Äußerung Wegners nun wie die Faust aufs Auge. Sie paßt so ideal und ist geeignet für Die Linke derart vernichtend zu wirken, daß man sich ernsthaft fragen muß, ob Wegner für sich alleine agierte.

12.02.2008
Aus einem Interwiew mit der Landtagsabgeordneten der bayerischen Grünen Christine Stahl zur Überwachungspraxis in Bayern (Telepolis, Thomas Pany; "Die sehen sich überhaupt nicht an das Verfassungsgericht gebunden"):
Nach Aussage von Stahl lag die Zahl der Telefonüberwachungen 2006 auf Bundesebene bei 35.800 im Mobilfunk, 5.099 im Festnetz. Wobei sich Bayern rühme, die meisten Daten zu liefern.
Dem weiteren Text läßt sich entnehmen, daß die Betroffenen nach den Maßnahmen nicht selten oder sogar oft gar nicht in Kenntnis gesetzt würden (Anm.: wie es das Gesetz eigentlich vorschreibt).
Hinzu komme aktuell das Problem der praktizierten Vorratsdatenspeicherung, wozu jedoch Entscheidungen des BVerfG ausstünden (Anm.: die Voratsdatenspeicherung wird von bedeutenden  Bevölkerungsgruppen und Fachleuten als verfassungswirdrig angesehen).
Erwähnt wird, daß auch
eine Überwachungsmethode, Kfz-Kennzeichen zu scannen wohl schon gepflegt würde (Anm:; das kam bundesweit bereits anläßlich der Mautstellen auf Autobahnen ins Gespräch; es eignet sich aber grundsätzlich auch jede dem Überwachungsnetzwerk zugängliche Videokamera; in Deutschland in solch  pauschaler Form: ohne Rechtsgrundlage).

Fast zeitgleich erreichen uns Meldungen wie diese: "Aushebelung des Postgeheimnisses" - Susanne Härpfer/Telepolis 14.2.08 - "Das Bundeswirtschaftsministerium muss dem Innenausschuss erklären, warum für alle Postsendungen in die USA vorab Daten erfasst und an die amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde übermittelt werden dürfen." (Anm.: Das dürfen sie natürlich nicht, das deutsche Postgeheimnis gilt für alle Postsendungen).
Textauszug: "Regelung versteckt in einem Handelsabkommen - Die Hauptfrage ist, wer seit wann von dieser fragwürdigen Praxis mit diesen weitreichenden Konsequenzen gewusst hat. Denn offenbar wurden in den vergangenen Jahren klammheimlich Fakten geschaffen – vorbei an jeglicher parlamentarischer Kontrolle."

Kommentar:
Wesentlicher Hintergrund meiner ganzen Bemerkungen hier ist es, nicht nur exemplarische Zweitdokumentation zu schaffen, sondern auch, Synopsen möglich zu machen.
Es verwundert außerordentlich, daß bewegende Meldungen, wenn sie auftreten, vereinzelt bleiben. Presse und sogar Politk - bis hin zu Protestgruppierungen bilden keine oder zu wenig Szenarien ab.
Vielleicht weil diese zu erschütternd wären. Dabei haben ja viele das Gefühl von ´hier wird etwas immer enger´. Es fehlt eine gut dokumentierte Übersicht, wie über die Jahre hinweg zb Steuern angehoben, neu erfunden, Vergünstigungen erschwert oder gestrichen wurden. Ebenso bei den Themen Arbeitslosengeld, Rente. Den Beschäftigungsraten, der Höhe von Managerbezügen, den Bürokratiekosten. Der Kappung  von prozessualen Parteirechten, der Anhebung von Gerichtskosten, Verminderungen in den Finanzmitteln der Justiz, sogar der allgemeinen Polizei. Druck auf die Bildung mit kürzerem Gymnasium, weniger Finanzausstattung wiederum, wobei für Umzüge nach Berlin oder Repräsentativbauten kein Geld fehlt. De-facto-Abschaffung des allgemeinen Zugangs zu Hochschulen durch Schaffung von hohen Studiengebühren. Gängelung freier Berufe wie Arzt oder Rechtsanwalt.
Schwächung der staatlichen Gewaltenteilung, Ausverkauf öffentlicher Güter, Bildung privater Monopole. 
Dahinter steckt kein bewußtes System. Es ist wie ein evolutives Zusammenwirken einer Vielzahl von Kreaturen. Jede für sich weiß nicht was geschieht aber wird sich darauf berufen.
Im Ergebnis wird man sehen, daß relativ konsequent, in sich erstaunlich stimmig, und immer zur dafür günstigsten Zeit ein Abbau von Freiheitsräumen und gewährten, sogar verfaßten Rechten betrieben wurde. Ein Aufbau von Oligarchien und kontrollierenden Regelwerken stattfand. Der Einzelne erliegt zunehmend strangulierenden Mattsituationen. Ein systematisches Ende ist wiederum nicht geplant. Kann sich aber irgendwann einstellen.
Diese Saat gebiert Neoutopismus als Ausweg. Mit großartigen Freiheiten oder Diktatur in Vollkommenheit. Oder einen in sich verzahnten langwierigen Kampf von beidem.


13.12.07
Die nachfolgende Meldung vom 30.11. läßt sich mit Telepolis (Rötzer, "Managergehälter reloaded") auch mit Zahlen garnieren:
In 20 Jahren sei das Verhältnis der Bezüge der Vorstände von Dax30-Unternehmen zu den Mitarbeiterlöhnen auf das 44-Fache gestiegen - bei der Deutschen Post (zu Herrn Zumwinkel später noch..)  auf das 87-Fache und bei Metro gar auf das 140-Fache.
(In der Basis aus einer Studie von Joachim Schwalbach. Leiter des Instituts für Management an der Humboldt-Universität.)
Ab dem Jahr 2000 sei die Kluft zwischen dem Einkommen der Manager und Angestellten besonders schnell gewachsen.
Weiter hinten steht eine ganz erstaunliche Zusatzinfo: "Gewerkschafter finden die Vorstandsgehälter angemessen". Angeführt wurde der Konzernbetriebsratsvorsitzende Oswald der BASF, der seiner Einschätzung nach "knallhart Arbeitnehmer-Interessen vertrete".
Schon Beuys wußte, Filz wärmt.
Wer noch Kopf frei hat, mag sich ein Bißchen erinnern. Noch vor Kurzem war zB die Arbeitslosenversicherung harter Bestand des deutschen Sozialrechts. Bald mußte man erfahren, daß es gar keine Versicherung sei, nur eine Umlage und irgendwie - offenbar einer Gratifikation ähnlich. Auf die es ja meist auch kein Anrecht gibt, schon gar nicht ohne Wohlverhalten. Und da kommt es bereits einer Gnade gleich, wenn man nun sagen wir, im Bedürftigkeitsfalle immerhin noch ein Jahr lang Arbeitslosengeld bekommt.
Selbstverständlich haben viele trotzdem Jahre oder Jahrzehnte Beiträge eingezahlt. Nun sacken sie nach einem hektischen und qualvollen Jahr, in dem sich vielleicht tragischerweise kein neuer Job ergibt, auf Hartz IV herab und dürfen sich mit Unterstützung eines zynischen, nein wohlmeinenden behördlichen, Sachbearbeiters bei 1-Euro-Jobs die Frage stellen, warum sie im Leben nicht
Vorstand, Politiker oder wenigstens Gewerkschafter geworden sind.

30.11.07
Steinbrück rechnet mit Bankmanagern ab (Spiegel-online).
Aus dem Text: "Es gibt Bankenvorstände, die der Komplexität dessen, was sie tun, nicht gewachsen sind".  (
Die Aussage stand vor dem Hintergrund der IKB-Krise.)
Beim Lesen assoziert man leicht verkrampft - cremige Arroganz, ackermannsche Peanuts und Heuschrecken nach Art des Müntefering.  
Bloß ein Jahr später hat die Aussage bereits Sammlerwert. Man steht kurz vor einer Weltwirtschaftskrise und Herr Ackermann - von tiefer Katharsis geschüttelt - geht mit gutem Beispiel voran und erhöht sich die millionenhöhen Gewinnbezüge ausnahmsweise einmal nicht. Sollte es in Zukunft wieder aufwärts gehen, wir werden es ihm danken müssen.


26.11.07
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D., referiert in Hamburg zum Thema: "Kommt der Überwachungsstaat?"

Per Pressemitteilung vom 06.11.2007 hatte sie bereits geäußert:
„Die Vorratsdatenspeicherung leitet einen Paradigmenwechsel im Datenschutz ein. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung soll nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe höchstpersönlicher Daten schützen.
Die Vorratsdatenspeicherung sieht vor, ohne Verdacht und Anlass alle Daten der Telekommunikation sowie komplette Bewegungsprofile von allen Bürgern für ein halbes Jahr auf Vorrat zu speichern. Die FDP lehnt diese Vorratsdatenspeicherung ab und unterstützt den Protest, der sich gegen den dramatischen Paradigmenwechsel richtet.
Die Vorratsdatenspeicherung könnte Bürger einschüchtern, die nichts weiter wollen, als ihre Grundrechte auszuüben. Wie soll die Vertraulichkeit der Kommunikation gewährleistet werden, wenn alle Bürgerinnen und Bürger davon ausgehen müssen, dass ihr Telefonverhalten sechs Monate lang penibel nachvollziehbar ist? Es ist nicht auszuschließen, dass durch die technischen Angaben Zugriff auf die Inhalte von Telefongesprächen genommen werden kann.
Bundesjustizministerin ZYPRIES hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der deutlich über die Brüsseler Vorgaben hinausgeht. Das deutsche Gesetz sieht im Gegensatz zur Richtlinie vor, dass Geheimdienste und Polizeibehörden den Zugriff auf die gespeicherten Daten bekommen. Die deutsche Vorratsdatenspeicherung sieht im Gegensatz zur EU-Richtlinie vor, dass künftig leichtere Straftaten ausreichen, um die Herausgabe der Daten zu erreichen.“

Heise berichtet dazu am 12.11.07 (http://www.heise.de/newsticker/meldung/98821):
"26 Sozialdemokraten haben laut einer Zusatzerklärung zum scharf kritisierten Beschluss des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung durch den Bundestag nur mit starken Bauchschmerzen zugestimmt. `Trotz schwerwiegender politischer und verfassungsrechtlicher Bedenken` vor allem gegen die abgesegnete Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten habe man dem Entwurf aber letztlich zugestimmt, heißt es in der zu Protokoll gegebenen Rechtfertigung".

Ich schließe mich der anderorts vielfältig geäußerten Meinung an -->
Wer (in diesem Fall) trotz großer Bauchschmerzen dennoch zustimmt, den Hammelsprung mitmacht oder den Lemminglauf - der sollte nicht Bundestagsabgeordneter sein. Wir haben diese Leute in der Erwartung gewählt, daß sie wenigstens die Verfassung achten. Sprich, irgendwo im Vorfeld - vor den Bauchschmerzen - muß Schluß sein mit der Grundrechtsangraberei. Man ist zurecht entsetzt von solchem Verhalten, solchem Selbstverständnis von Politik und Bürgerauftrag. Nahezu gleichzeitig schaffte man es jedoch, sich deutlich die Diäten (Abgeordnetenbezüge) zu erhöhen. Das wiederum klappte gut - ohne Bauchschmerzen.
Wir sind entsetzt. Wir sind auch aufgescheucht. Weil die Grundfunktionen und mittlerweile sogar die Notmechanismen der Demokratie von zahlreichen Käfern angefressen werden. Wir hofften und hoffen noch auf das Schuldbewußtsein dieser Käfer!!
Und tun ansonsten nicht viel, außer zu Wahlen zu gehen (wenn Harry Potter  nicht
gerade interessanter ist). Wir denken - das kann doch nicht sein ! Und wir sind  höflich und anständig.

Manchmal denken wir rechtschaffen - das darf man doch nicht Frau Justizministerin Zypries !, einfach mehr anzuordnen, als selbst die böse EU verlangt hat (Anm.: Soweit ersichtlich hatte Deutschland viel mehr Überwachung umgesetzt, als die EU-Vorgabe vorsah).
Dieses Trojanische Pferd EU. Dieses Danaergeschenk, mit dem man seit Jahren alles mögliche begründen kann. Die EU will,  die EU hat. Wunderbar - aber  wer ist die EU?
Das wart und seid Ihr - Politiker aller europäischen Nationen. Ihr habt dieses Pferd erst etabliert, dann programmiert und nun sagt ihr wie ein Lämmerchor - wir haben keine Wahl, die EU-Richtlinie X, die Anordnung Y, wir müssen das leider alles genau so umsetzen. WIe schön, daß es die EU gibt. Sonst hätte es Jahre gebraucht, all die freiheitlichen Verfassungen direkt zu unterlaufen.

EU-Richtlinien. Schlimm genug ! Aber warum auch noch mehr tun, mehr Grundrechte beschneiden? Muß man das tun, wenn man Zypries heißt? Kaum. Aber offenbar doch getan. Trotz Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gesagt hatte, EU-Richtlinien nur noch „eins zu eins“ umzusetzen. 

"Stattdessen hat Zypries den Katalog der verfolgenswürdigen Straftaten erheblich erweitert. Durch das Gesetzesvorhaben würden sämtliche Bürger unter „Generalverdacht“ gestellt" (van Essen, FDP).

Und noch aus der Rede des Bundestagsabgeordneten Jan Korte vom 9.11.2007:

[...] Wir beschließen heute, wie ich finde, viel zu kurz und viel zu fahrlässig mal eben schnell einen Paradigmenwechsel. Dieser besteht darin, dass ab 2008 das Telekommunikationsverhalten von 80 Millionen Menschen in der Bundesrepublik auf Vorrat gespeichert wird, und zwar ohne jeden Verdacht und ohne jeden Anlass. Statt Datensparsamkeit exorbitante Datensammelwut!

Die Bundesregierung geht sehr wohl über die EU-Richtlinie hinaus; das ist hier bereits angesprochen worden. Denn in der Richtlinie heißt es, die Speicherung diene „zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten“.

Bei der Bundesregierung soll der Zugriff bei erheblichen Straftaten und bei einer „mittels Telekommunikation“ begangenen Straftat geregelt werden. So steht das dort drin. Das beinhaltet beispielsweise auch eine Beleidigung am Telefon oder das illegale Herunterladen von Klingeltönen oder was auch immer. Das ist die Logik davon.

Man muss sich auch darüber im Klaren sein, was das für die Menschen praktisch bedeutet. Erstens werden sie ihr Kommunikationsverhalten ändern. Sie werden versuchen, unauffällig zu kommunizieren, und sich anpassen. Wir als Linke wollen das Gegenteil, dass sie unangepasst und frei kommunizieren können.

Zweitens ist das ein Eingriff in die Pressefreiheit; das ist hier schon angesprochen worden. Nicht nur wir, sondern sämtliche Journalistenverbände und viele andere sagen, dass dies einer der größten Eingriffe in die Pressefreiheit ist. [...]

Der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank-Ulrich Montgomery, am Freitag im Inforadio des Rundfunks Berlin Brandenburg (nach Focus 9.11.07): Die Ärzte könnten „im Interesse unserer Patienten nicht dulden, dass derartige Eingriffe in das Urrecht des Patienten auf Vertraulichkeit vom Bundestag beschlossen werden“.
Frau Zypries wies die Bedenken zurück.......................................................


17.11.07
Nochmal Marco Weiß. Die Augsburger Allgemeinen Zeitung meldet heute, daß das Gericht der türkischen Stadt Antalya weiter auf die Aussage der mutmaßlichen Opfers Charlotte warte. Auf dem amtlichen Weg sei noch nichts beim Gericht eingetroffen. So offenbar 
der Anwalt  von Charlotte. Eine Verzögerung des Prozesses über das Jahresende hinaus ist damit wahrscheinlich.
Nach der anfangs intensiven öffentlichen Berichterstattung zu Art und Umfang der Straftat (siehe unten 7.8.07), dürften nun langsam aber sicher
Charakteristik und Verhalten des Gerichts selbst - sowie das der Eltern von Charlotte in den Fokus wandern. Aufrechte Unsicherheiten, ob das türkische Gericht nicht doch einfach nur seine ordentliche Pflicht erfülle (entsprechend einem ausgerechnet von der EU abgeleiteten Gesetz) können je länger je gewisser abgetan werden. 
Als sicher schält sich heraus: In Deutschland hätte Marco nicht ab April bis heute in Untersuchungshaft gesessen. Die Überspannung der U-Haft geht einerseits auf das Konto des türkischen Gerichts.
Andererseits zeigt sich immer deutlicher: Die Eltern von Charlotte betreiben mit Unterstützung ihrer Anwälte eine Verzögerungs- und Verschlimmerungstrategie. Dies geht auf das Konto der Eltern. Man muß sowieso mutmaßen, ob Charlotte zu Hause innerlich frei aussagen konnte, bzw. überhaupt noch will oder wird. Doppelgesichtige Wahrheit ist Teil ihrer Unmündigkeit, denn sie wird von Eltern und Anwälten verwaltet. Das ist für Marco ungut genug.
Aber sollte eine deutliche Differenz bestehen zwischen dem, was Charlotte selbst erlebt hat und dem, was immer weiter daraus gemacht wird - wer wird sich später um sie kümmern ? Später, wenn ihr bewußt werden sollte, daß das große Unrecht (dann) nicht im türkischen Zimmer geschah, sondern im darauffolgenden Prozeßgeschehen? Daß der Dauerzustand eines Unrechts entstand, den sie durch eine beherzt richtige Aussage hätte jederzeit abstellen, wenigstens mildern können. Hätte, hätte.
Sie jedoch unter Beinflussung stand, da unmündig und abhängig. Abhängig von der Mutter, ihrem Wohlwollen. Von der Familie, dortigen finanziellen Persepktiven. Bis hin zur Stimmung in der Nachbarschaft, der Schulklasse, ja geradezu dem ganzen Heimatland. Sollte sie in Wahrheit nicht dem Opferbild entsprechen, welches sich wie ein Selbstläufer weiterzeichnet  - wird sich eines Tages alle Empörung gegen sie* wenden. Davor muß ihr Angst und Bange sein.
Möglicherweise wäre das jedoch wenig gegen anhaltende Gewissensnöte, die sich einstellen, wenn ihr bewußt wird, daß sie mit unbekümmerten Verhalten beteiligt war - mit dem Ergebnis einer mehrjährigen [davon gehe ich aus] Gefängnishaft für die Urlaubsbekanntschaft. Eines Jugendlichen, der zu diesem Zeitpunkt ebenso hoffnungsfroh in die Zukunft blickte wie sie.
Daß sie auch handelte, nicht nur Opfer war, vielleicht sogar zündelte oder verursachte. Was wird die magische Altersschranke irgendwann vor ihrem inneren Auge wert sein?
Vor dieser Not hätten sie ihre Eltern bewahren können, indem die Angelegenheit von Anfang nicht diesen Stellenwert erhalten hätte. Mit Anzeige und Prozeß haben sie ihr nun wahrscheinlich einen Riesenbärendienst erwiesen.
All dies scheint die Mutter wenig zu interessieren, die wie es heißt, gar einer religösen Sekte angehöre. Jedenfalls ein Opferbild der Tochter derart
glühend verficht, daß die Rücknahme von Vorwürfen oder Anzeigen einer Unmöglichkeit gleichkommt. So entstehen weitere Sachzwänge - die Schicksalsspirale dreht sich und es erscheint konsequent und schlüssig, daß der beauftragte Anwalt nun sogar eine Ausweitung des Vorwurfs auf Vergewaltigung angekündigt hat.
Das steht zwar in Widerspruch zum vorhandenen Arztgutachten und erster Einlassung der Betroffenen, wonach eine Vergewaltigung vollkommen ausscheidet. Aber was nicht ist kann ja noch werden !
Wenn die türkischen Richter aus ähnlicher Mentalität schöpfen, wie deutsche Spezialsenate für Urheberechts- und Pressefragen, dann erwarten wir für Marco besser schon jetzt die Höchststrafe für Erwachsene und eine Ablehnung aller Gnadengesuche.

07.08.07
Schlagzeilen im Frühsommer um den 17-Jährigen Marco Weiß, der im Türkeiurlaub eine Engländerin kennen lernte. Offenbar wußte er nicht, daß sie erst 13 war. Was genau zwischen den beiden passierte ist noch umstrittenn, der Rahmen spannt sich von Urlaubsflirt bis Vergewaltigung bzw. schwerem Mißbrauch von Minderjährigen. Die Mutter des Mädchens hatte Anzeige erstattet. Marco, selbst noch minderjährig, sitzt seither in türkischer Untersuchuchungshaft. Full House mit Pik-Dame.

Die deutsche Presse war zunächst voller Mitleidsbekundungen für Marco, Lichterketten wurden entzündet, Politiker setzten sich ein. Und ein EU-Eintritt der Türkei schien in unendliche Fernen gerückt. Mittlerweile ist es sehr ruhig geworden um den Fall.
Das heißt nein, in verschiedenen Internetforen und Kommentarstellen wird weiter gestritten und nachgefackelt. Vor allem die türkische Meinung gewinnt dort immer weiter an Boden. Es erstaunt überhaupt, wie viele Türken da vertreten sind. Man muß kein Ausländerfeind sein, um hier plötzlich Unbehagen zu verspüren. Nicht nur das Streetlive deutscher Städte gehört abends dem östlichen Ausland (warum sitzt ihr alle zu Haus, Inländer !?), auch die öffentliche Meinung spricht bereits deutlich ferne Sprache. Man muß sich nur den Umgangston Jugendlicher anhören, ohne kreativ eingesetzten Deutschfehler und Gutturaljauler ist der Inländer bereits borderline. Die türkische Stimme wird nicht müde, zu betonen, daß es vice versa einem türkischen Jungen in Deutschland genauso ergangen wäre, das türkische Strafrecht sowieso ähnlich sei, die Türkei ein moderner Rechtsstaat, die türkischen Gefängnisse ok, die türkische Staatsanwaltschaft gar nicht anders
habe handeln können.

Das alles ist eine Kritik wert, aber vielleicht nicht die Mühe einer Kritik. Wirklich gruselig sind die zu Tage tretenden Rechtsvorstellungen. Sei es für die Beurteilung der türkischen Behandlung oder die fiktive deutsche bzw. die Vorstellung von vorhandenen gesetzlichen Vorschriften. Da werden 8 Monate Untersuchungshaft für einen Minderjährigen für üblich und normal gehalten. Ein Strafrahmen von 10 Jahren wie ein melancholisches Volkslied runtergeträllert, ja ohnehin alles pflichtgemäße Strafermessen von Gerichten und nötige Einzelfallwertungen ganz und gar „nicht gewußt" - oder eben – radikal ignoriert?

Was dabei unglaublicherweise zu Tage tritt ist, daß die öffentliche Meinung sich bereits aus radikalen Stimmen speist. Man kann es kaum glauben, aber die geäußerten Meinungen sind strenger und radikaler als das geltende Recht! Und sie haben dabei noch nicht einmal die Peitsche in der Hand, sondern meinen, sich in der gültigen Norm zu äußern. Fast noch mit Vernunft und Nachsicht.
Dies ist umso beunruhigender, als der Inländer einserseits zunehmend von solch radikalen Ansichten und Praktiken überwachsen wird (ein weiteres Feld wären noch Religionsausübung, weibliche Emanzipation, allgemeine Toleranz). Andererseits beginnt, damit zu konkurrieren –  bzw. selbst radikalisiert wird. Ohne das zu hintersinnen.
So sind bei Befragungen Mehheiten immer pro Videoüberwachung. Nach wie vor hat eine Mehrheit keine Angst vor polizeilicher Aktion, man habe ja nichts zu verbergen (die Juden hatten übrigens auch „nichts zu vergbergen") und Strafverschärfungen sind allzeit willkommen. Das ist gelinde gesagt, skurril. Die Bevölkerung scheint, wie nach einer Gehirnwäsche, vergessen zu haben, daß wir es beim Strafverfolgungs- Polizei- und Geheimdienstapparat nicht mit einem vom lieben Gott installierten Computerprogramm „der Guten" zu tun haben. Soll nicht heißen, daß das „die Bösen" sind, aber man glaubt offenbar, es sei eine ideale fehlerlose und unbeirrbare moralische Instanz mit eingegossen. Es gäbe einen Wirkungsmechanismus, der mit mehr Strenge und mehr Kontrolle ein Mehr an staatsbürgerlicher Wellness produziere.

Das ist nicht so!. Das ist komische politische Neoromantik. Naiv und hochgefährlich dazu. Aber es gehört zur Pathogenese der betroffenen Kultur, daß den Mitspielern die geringe Mitkontrolle, das Mitspracherecht zuviel wird. Man ist tatsächlich demokratie- und gewaltenteilungsmüde. Eine Art russische Krankheit. Man müßte es seit Jahrhunderten besser wissen, spätestens seit Iwan dem Schrecklichen. Aber die gläubige Volksseele hat nichts anderes zu tun, als irgendein regierendes Väterchen mit massig Hoffnung zu überschütten. Und danach wiederum unendlich zu leiden. Dann wird der liebe Gott angerufen, einiges geopfert und so weiter. Aber man würde das unendeckt gelebte magische Prinzip – verdammt nochmal – niemals in Frage stellen. Denn es steckt magische Hoffnung dahinter.

Diese Bevölkerung leidet und erduldet im Zweifel alles Mögliche – aber sie tut es aus Selbstüberschätzung. Und wir sind dabei, in dieses Prinzip mit zurückzurutschen. Man denkt, es könne durch Leid und Linientreue etwas bestimmt werden. Man denkt, das Gute sei unverrückbar, in ewiglich Goldenen Lettern vergegossen, daran geknüpft. Wenn wir so und so sind, das und dies tun, dann wird es geschehen, das Himmelreich, das Gute, das wie auch immer Richtige. Es ist Selbstüberschätzung, weil das Geschehen wahrscheinlich ganz andere Wege geht. Es kümmert sich nicht darum, ob das Bäuerlein die Ikone ein zehntes mal bebetet. So wie sich Iwan der Schreckliche nicht darum gekümmert hat. Es kümmert sich nicht darum, ob jemand eine Ziege schlachtet für gutes Wetter oder eine Heirat. Ein Tyrann erringt die Macht ob ich für ihn eine Kerze angezündet habe oder nicht. Wir haben kaum Einfluß im Geschehen der Außenwelt mit unseren magischen Hoffungen. Dann könnten wir zaubern. Aber genau das ist es, was viele anstreben oder tiefinniglich glauben. Glauben können oder sollen wir an unser inneres Heil, dort können wir alle Wunder wirken und werden wie auch immer durch Gott unterstützt und können möglicherweise sogar ihn unterstützen. Aber doch nicht in der Außenwelt. Bei afrikanischen Völkern belächeln wir es als Woodoo. Selbst kaum besser.
In der Außenwelt muß praktisch bewirkt werden, nicht magisch oder gläubig. Es ist fatal, das zu vermischen.
 
Doch zurück zu Marco.
Als Rechtsanwalt ist man ja einiges gewohnt. Die Lektüre der Meinungen – online in Foren und Leserbriefen - erschreckt trotzdem deutlich. Was für eine Fülle von Schnellschüssen und Einblicken in den Scharfrichterwillen von Fachleuten und - leider - Bevölkerung.
Abseits jeder unangebrachen Verharmlosung würden sich genug Ansatzpunkte für eine ausgegliche Stellungnahme ergeben, insbesondere durch die Medien. Doch gefehlt. Der Fall gerät zum Prüfstein, zur kulturtechnischen Pisastudie für das Volk und seine Gremien. Es ist ganz erstaunlich, wie sich fast jeder etablierte Journalist anpassungsfreudig eine unkritische Vervielfältigung für ihn vorgekauter Meinungsbausteine zutraut - und das dann auch hinausposaunt, weil er jeden, der sich als Fachmann bezeichnet auch für einen hält. Sogar die meisten befragten Juristen geben keine Stellungnahme aus fachlich klarem Wasser ab. Überall vermutbare Zugeständnisse oder professionelle Blindstellen. Ein Trauerspiel für Marco, ein Trauerspiel des Publikums und der Kommentatoren.

Deutliche Fehlposten: Es muß der Mutter des Mädchens die mögliche Verletzung der Aufsichtspflicht vorgehalten werden. Bis hin zu einer Beihilfe durch Unterlassung. Unkontrollierter Überlassung eines Zimmers, offenbare Duldung von Alkoholkonsum und grünem Bändchen, Diskobesuch.
Deutsche Strafnormen werden lückenhaft zitiert. Marco ist Jugendlicher und unterliegt nicht der vollen Breite des Strafrechts. Es gibt für seine U-Haft (wenn man schon mit deutschem Recht vergleicht) sehr einschränkende Sonderbestimmungen im JGG,. unter anderem die Separierung von Älteren, die kaum erwähnt werden. Erforderliche Haftgründe des § 112 StPO werden nicht datailliert genug geprüft. So besteht zb Fluchtgefahr nach üblicher hiesiger Ansicht nur, wenn der Ausländer, der sich ohne Fluchtwillen in sein Heimatland zurückbegeben hatte (respektive diese Gestaltung auf der Hand liegt), erklärt, er werde sich dem Verfahren nicht stellen.
Sowieso liegt der Knackpunkt im subjektiven Tatbestand. Straffrei im Rahmen des § 176 StGB, und damit der Tat schon im Ermittlungsstadium nicht mehr verdächtig, ist der Beschuldigte, wenn er tatsächlich davon ausging, daß das Mädchen über 14 war. Neben ihrer unmittelbar zu überprüfenden derartigen Äußerung, sind alle tauglichen Indizien einzubeziehen. Grünes Bändchen, Entwicklung und Aussehen des Mädchens, Diskobesuch (ein Besuch wird 13-Jährigen kaum gestattet sein). Nach einschlägigem Kommentar zum StGB heißt es „Vor allem muß der Täter aktuell mit der Möglichkeit rechnen, daß das Kind noch nicht 14 Jahre alt ist; das ist nicht der Fall, wenn er sich keine Gedanken über das Alter macht.". Dumm gelaufen allerdings, wenn die erforderliche Grenze in der Türkei bei 16 Jahren liegen sollte. Dann hätten wir aber doch einen erheblichen (und EU-weit zu diskutierenden) Unterschied der Strafrechte...
Außerdem kann und sollte der Fall Anlaß bieten, auch das deutsche Sexualstrafrecht zu überdenken. Es muß einen gangbaren Rahmen für Minderjährige geben, ihre Entwicklung unbeschadet, aber auch gemäß den sich sukzessive natürlich entfaltenden Kräften ohne Strafvorwurf aufzunehmen. Strafbarkeit, Gewöhnung an Illegalität unter halbwegs gleichaltrigen Minderjährigen sind sonst vorprogrammiert. Offenbar sollen die Regeln aber noch verschärft werden. Wie man hört, ohne Rücksicht auf mahnende Stimmen. Es ist ein Irrtum, daß sich Kultur durch Aktionismus oder bloßes Drehen an der Verbotsschraube herstellen ließe. Im Gegenteil, die Demokratien verheizen seit Jahren ihren mühsam erworbenen kulturellen Bestand durch solche Methoden und lassen sich aus radikaler Ecke über Gebühr provozieren. Gewinnen wird dabei nur die radikale Gesinnung, nicht der Block freiheitlicher Bürgerrechte.


03.07.07
Es fehlt an einer Neubelebung des Demokratiegedankens. Nicht gerade von einer Neuen Linken, sondern aus allen Richtungen. Die Verwalter der x-ten Generation, Bevölkerung inklusive, wissen oft nicht einmal mehr wovon sie sprechen. Wußten wir es denn je?
Konnten wir uns jemals vorstellen, was es bedeutet, teilzuhaben und mitverantwortlich zu sein für das Ganze. Was würde geschehen, wenn wir es
uns endlich vorstellen könnten?
Auch daß der Staat eine Macht ist, die sich immerzu verselbständigt, geformt und entführt von den Leuten, die ihm am nächsten sind. Daß WIR diese Macht sein sollten - oder sie wird uns weggenommen. Daß wir betroffen sind. Noch ist es nicht strafbar, so zu reden.



11.05.07
Augsburg kämpft weiter um seine Mobilitätsdrehscheibe und das Schicksal des Königsplatzes. Den mochte bisher zwar keiner so richtig - doch es scheint klar, daß er nach einer ungefilterten Umsetzung von Plänen der Parteien und Räten nie wieder so harmlos häßlich wäre wie noch heute. Sondern viel schlimmer häßlich.
Schade daß man dafür alten Baumbestand opfern möchte. Allerdings müssen die Bäume in der Tat nicht in so großer Zahl gerade dort stehen, anderswo in der Innenstadt täten sie genauso gut. Zum Beispiel auf dem Rathausplatz, oder vor dem Bahnhof.
Wie auch immer, zuerst hat man prunk-selig Combino-Straßenbahnen gekauft, dann merkte man, daß nun bloß noch die passende Stadt zur beindruckend langen Straßenbahn fehlt.
Der Königsplatz ist natürlich zu klein, für die Riesendinger und seit es Combino schlug ist dort Chaos. Aber das regionenübergreifende und zukunftsweisende Verkehrskonzept darf nicht an einem Platz voller alter Bäume und Taubendreck scheitern. Ist eigentlich klar. Die Stadtwerke haben sich mit einer darauf hinweisenden aktuellen Zettelaktion in Bus und Bahn sehr viel liebevolle Mühe gegeben. Lobenswert.
Für Mitplanung der Bürger oder störende Bäume gibt es bei öffentlichen Planern andererseits auch kaum Verständnis, so weit geht die Liebe nicht. Das ist ok !
Wir erwarten ja nichts anderes von euch, seid ihr doch Technokraten - Planer und Säger. Ihr könnt nicht anders. Wer wollte aus der Sonne einen Mond machen. Jedes Ding ist wie es ist. Und ihr müßt verplanen und sägen. Immerzu.
Aber warum sagte Stadtwerke Co-Chef Walter, zum Thema angesprochen, schon vor Monaten:
"..und ohnehin sind viele der Bäume alt und krank". (Stadtzeitung vom 4.8.06)

Was meinte er - welch tiefere Botschaft transportiert seine Aussage ?
Sind „alt und krank“ demnach Synonyme. Alt ist also immer auch krank, wenigstens ein Bißchen.
Alt gilt insofern grundsätzlich als Makel, jedenfalls nicht als gesund (?)
Ist „alt und krank“ außerdem ein Synonym für Störung und Entsorgungsnotwendigkeit. Kann man also das Wortpaar als höhere Begründung benutzen, wenn einem keine einfache Logik einfällt, warum etwas weg gehört (?). Dann sagt man, etwas sei eben schon alt und krank gewesen. Und jeder weiß gleich, was gemeint ist (und mit wem man es zu tun hat).
Das gilt alles wie geäußert sogar bei einem Baum (?)
Welch fatales Fehlverständnis könnte hier waltern. Wo wir doch alle wissen, daß ein Baum im Alter immer schöner und wertvoller wird. Von seinem Symbolgehalt für das Leben mal ganz abgesehen. Älter und schöner. Tief verwurzelt. Ein Schutz für den Boden und die Luft.
Ach so und wie wäre das demnach mit unserer Erde, mit der Welt? Auch alt und krank?
Mit dem Menschengeschlecht? Alt und krank, endlich abzuschaffen oder zu verbessern von unseren selbsternannten Demiurgen ?
Fragen über Fragen. Offene Auslegungen. Man kann nur mutmaßen, wissen tun wir Menschen eben nichts.



09.05.07
"Präventivstaat in Aktion", aus Telepolis - Florian Rötzer. Der Artikel beschäftigt sich mit den Geschehnissen um den G8-Gipfel in Heiligendamm. Ein paar Auszüge:

"Man weiß, dass Bundesinnenminister Schäuble und Bundesjustizministerin Zypries planen, die zwar schon sehr weiten, aber offenbar für präventive Zwecke noch immer als zu eng empfundenen Fesseln des § 129a [Anm.: § 129a StPO} zu lockern und auch auf Einzelne zu erweitern."

"Dazu fällt ein, dass Bundesinnenminister Schäuble sich unlängst bereits Gedanken über die Unschuldsvermutung gemacht hat, die bei der Abwehr drohender Gefahren nicht gelten dürfe. Dem hatte auch Bundesjustizministerin Zypries zugestimmt."

"Der Verdacht liegt nach den unermüdlichen Anstrengungen der Sicherheitspolitiker nahe, auch bei nur abstrakter, also nur denkbarer Gefahrenlage, die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden immer weiter auszubauen, dass der Terrorismusverdacht ebenfalls ständig erweitert wird und sich bald gegen legitime, wenn auch radikale Protestbewegungen richtet, denen man, ganz nach russischer Position in der "gelenkten Demokratie", Gewaltausübung unterstellt, um sie verfolgen und einschüchtern zu können. Auf dieser Rutschbahn könnte man schnell wieder in einem Deutschen Herbst landen, vor allem aber politische Freiheiten und demokratischen Rechtsstaat gefährden. Die Überwachungsmittel sind schon zur Hand und werden gerade geschaffen, die einem autoritärer werdendem Staat die Werkzeuge in die Hand legt, die nicht technisch, sondern "nur" – und immer weniger – gesetzlich und damit leicht veränderbar in Fesseln gehalten werden."

Rötzer gelingt es im letzten Absatz, den sich verdichtenden, schwierig zu beschreibenden, Ängsten um das weitere Schicksal von Rechtsstaat und Demokratie vorstrukturierende Worte zu verleihen. Aus meiner Sicht schwierig, weil uns historische Vergleiche und Muster fehlen, auf die wir schablonenartig zugreifen könnten. Die Situation ist neuartig, in Entwicklung befindlich, und noch weitgehend unbegriffen.

Was aus der Spfrachlosigkeit drängt und beunruhigt sind die sich perfektionierenden Überwachungsmöglichkeiten, bei Passivität weiter Bevölkerungskreise in Geist und Tat. Gläsernern Bürgern, zunehmender Zahnlosigkeit der Medien.
Wir erleben Globalsierung und Machtagglomeration, bei ohnehin schon einflußreichen Konzernen und Lobbies, Erosion der politischen Moral, Verwechslung nötigen rechtsstaatlichen Aufwands mit Praxisferne und Unwirtschaftlichkeit. Abdriften von Glaube und Bekenntnis in Sektiererei und archaische Zustände, Zunehmendes Bedürfnis nach Heilsbringern, Aberglaube, Hoffnung auf eine Allheilsbringung durch Konsum und Wettberwerb bei gleichzeitiger Ausschaltung von effektivem Wettbewerb.
Es geschieht die Aufweichung staatlicher Gewaltenteilung, Verfehmdung überkommener Verfassung, strafrechtlicher Unschuldsvermutung. Das praktische Unmöglichmachen von Demonstration und Versammlungsfreiheit durch Schaffung überdimensionionaler Gefahrenlagen wie zb in Heiligendamm.

Was Bevölkerung und Fachleute staunend und fast gelähmt anglotzen ohne zu erkennen - ist die sich mit ins Boot setzende Paralyse. Der Staat wird krank.

Aber es ist kein Hitler, der da wirkt oder die Folgen eines kommunistischen Manifests. Es gilt vorderhand auch nicht, sich von feudaler Knechtschaft zu befreien oder Menschenrechte zu formulieren. Das ist alles geschehen. Wir haben verfassungsrechtliche Pflöcke in den Sumpf getrieben, Wahrheiten gefunden und formuliert. Und diese Formulierungen werden nun scheibchenweise durch präsentierte Sachzwänge ihrer Semantik beraubt. Es ist ein Meer aus steten Tropfen, was auf unsere verfaßten Steine herniederträufelt. Wir stehen vor den Portalen unseres Doms, Meisterwerke von Menschenhand - und können mitansehen, wie seine Figuren zerbröckeln. Gotische Madonnen oder flötende Engelchen, gleichviel.
Doch Leerräume öffnen sich nicht nur oder werden produziert, sie werden auch gefüllt. Am ehesten gleicht die Lage der Ankunft eines Neo-Feudalismus. Einige wenige teilen sich den Planeten auf. Die Strukturen bilden sich seit einiger Zeit heraus. Denkbar begleitet durch eine Übergangsphase ungewisser Länge aus stasistaatsähnlicher Gleichschaltung in einer sich zu einem guten Teil jeweils selbst vergehorsamenden Bevölkerung. Die dann aufgelockert werden kann, wenn die Machtkonzentration abgeschlossen ist. Dies erscheint absolut logisch und ist ein wirkender Pol, dessen Anziehungskraft man erliegen wird. Anders ist es nur, wenn das Spielfeld lebendig bleibt und Gegenströmungen entfacht werden.



06.05.07
Klimwandel sorgt für Schlagzeilen. Sogar in den USA ergaben sich symbolträchtige Erdrutsche in der bisher mit perfektem Schulterschluß präsentierten Ignorierhaltung. Und hierzulande blickt man gerade auf ein seit Wochen ungewöhlich trockenes und blauverhimmeltes Frühlingswetter. Ideal für Grillparties. Schlecht für den Wasserhaushalt.
Die Medien präsentieren Berichte über lamentierende Bauern, entsetzte Forstwirte, frohlockende Genforscher. So wird zum Beispiel vermehrt beklagt, daß es der heimischen Fichte zu warm würde. Ihr die stärkeren Stürme zusetzten; die Borkenkäfer immer dreister würden und die Fichte immer schutzloser. Dies und ähnliche Dinge werden von Betroffenen und Berichterstattern treuherzig und ratlos vorgebracht. Schuldbewußte Mienen sind sowieso nicht darunter. Dabei wird gerade die Fichtenmonokultur (mit ihrer schon unter früheren Klimabedingungen problematischen Charakteristik) seit über 30 Jahren immer wieder sachkundig kritisiert und aufgefordert, vermehrt zu Laubmischkulturen überzugehen. Die sind ökologisch besser und widerstandsfähiger (aber aufwendiger zu "ernten").
Die meisten konnten vieles wissen und haben auch massenhaft Warnungen gehört. Nur fühlten sich die wenigsten angesprochen, sondern permanent entschuldigt. Wie aus einem stimmigen Bauchgefühl heraus... Auf Urlaub in Übersee, bereits zum x-ten mal. Am plätschernden Biotop der darlehensüberlasteten Eigentumswohnung. Auf den gepolsterten Sesseln des neuen Jeeps, im Fond die 300 Liter H-Milch aus dem Aldi. Auf Vorrat gekauft, sie war so billig. Sorry, das spricht einige an. Aber so war es doch. Warum wart ihr denn so und warum - warum habt ihr nicht inne gehalten?
Wie so oft hat man sich kaum bewegt oder den verfehmdeten `Ökos"  das Reagieren überlassen. Man lobte die Atomkraftwerke groß, das Ozonloch klein. ´Le Waldsterben´ war ein allenfalls deutsches Problem, der Klimawandel ein in Europa erfundenes. Dabei gab es Meilensteine wie "The Silent Spring" von Rachel Carson, 1962 -  "Ein Planet wird geplündert" von Herbert Gruhl, 1975. Die  aufrüttelnde Ölkrise 1973, das Tankerunglück der Amoco Cadiz, 1978 (Ölpest).
Minamata und die gleichnamige Krankheit schon Mitte der 50er-Jahre; Seveso 1976; Harrisburg, 1979; Tschernobyl, 1986. Schließlich die zahlenmäßig kaum faßbare Zerrüttung der Entwicklungsländer.
Vor diesem Hintergrund klingt der Vorhalt harmlos und lächerlich: Trotzdem, man kaufte zum Beispiel Dieselfahrzeuge, weil sie gefördert wurden und man sich ob des geringeren Verbrauchs sogar loben kann, etwas für die Umwelt zu tun. Was zur Folge hatte, daß diese Fahrzeuge einen anhaltenden Boom erleben und die Verbrauchsdimensionen dadurch und die immer größer werdenden Gefährte ad absurdum geführt wurden. Vertrauend auf staatliche Aussagen und eine Katalysatortechnik, die unter Kennern nicht unumstritten ist. Obwohl jedem nicht ganz Gefühlsblockierten von Anfang an klar gewesen sein muß, daß damit eine vermehrte Ruß- oder Staubproblematik einhergeht. Heute erstickt man in den Großstädten im Feinstaub und verbietet dafür zahlenmäßig völlig bedeutungslosen Oldtimerfahrzeugen das Befahren ihrer Straßen (in sich logisch, hier liegt ein Konsumdelikt vor und Strafe muß sein).
Natürlich kann auch hierbei argumentiert werden, der Anteil des Verkehrs an dem Emissionen sei eher unbedeutend. Das mag sein, aber ich kann jedem raten, einmal die Wirkungsweise eines Staus zu studieren. Oder den Werdegang eines harmlos am Haus abgestellten Fahhrads hin zu einem zertretenen Knäuel aus Blech und Reifen. Bei letzterem wirkt Aggression, das ist nicht überall so, aber man kann wunderbar die Wirkungsweise scheibchenweiser und jeweils kaum vorwerfbarer Mitwirkung beobachten. Der Erste schmeißt es bloß um, möglicherweise sogar aus Versheen. Der Zweite sieht es liegen bzw. stolpert vielleicht darüber, tritt dem Teil aus Ärger in die Seite. Der Dritte stößt auf ein offenbar vernachlässigtes und leicht beschädigtes Hindernis, kann daher nach Laune weiter darauf eintreten. Selber schuld, wer sein Fahhrad so hinlegt, außerdem war es ja eh schon kaputt. Der Vierte entdeckt ein verbogenes Etwas, gerade noch gut genug, um sein Mütchen zu kühlen und vor seiner halbstarken Gruppe Eindruck zu schinden. Der Fünfte hat etwas Werkzeug dabei und rettet sich flugs den unbeschädigten Sattel. Und so weiter.

Dazu ein Zitat (Permakultur, Sepp Holzer, S. 21):

"Fehler der Vergangenheit

In den letzten Jahrzehnten haben wir alle große Fehler im Umgang mit unseren Böden gemacht. In der Landwirtschaft wurde großräumige Geländekorrekturen und Drainagierungen vorgenommen. Steine und Felsen wurden gesprengt, um Wiesen und Felder maschinengerecht zu gestalten. Feuchtwiesen, auf denen die schönsten Knabenkräuter zu finden waren, wurden trockengelegt und stattdessen Fichtenmonokulturen gepflanzt. Die Landwirtschaftskammer hat derartige Maßnahmen mit 60 bis 80 Prozent gefördert. Großflächige Trockenlegungen werden mancherorts noch heute hoch gefördert. Nach wie vor werden Hecken und Streuobstwiesen gerodet, Flüsse und Bäche begradigt und der Monokulturwirtschaft in großem Ausmaß Tür und Tor geöffnet.
Die Folgen dieser Monokulturen und des verantwortungslosen Umgangs mit unserer Natur sind hinlänglich bekannt: Die Katastrophen nehmen in immer größerem Ausmaß zu und der volkswirtschaftliche Schaden geht ins Unermeßliche. Überschwemmungen, Vermuhrungen, Wind- und Schneebrüche stehen auf der Tagesordnung. Wertvolle Biomasse und fruchtbarer Humus gehen verloren. Die einseitige Bewirtschaftung führt zum Verlust der Wasserspeicherkapazität des Bodens - es kommt zur Versauerung und Versteppung ganzer Landstriche.
Der großflächige Einsatz von Spritz- und Düngemitteln führt letztlich zu Vergiftung des Grundwassers. Die natürliche Vielfalt der Lebewesen wird empfindlich gestört: Anstatt reich strukturierter Lebensräume steht plötzlich nur noch eine eintönige Landschaft zur Verfügung. Dieser Biotopverlust führt dazu, daß sich wenige Arten explosionsartig ausbreiten, während andere völlig verschwinden. Es kommt zur Verarmung der Tier- und Pflanzenwelt, Kaum hat der Mensch das ökologische Gleichgewicht der Natur zerstört, beginnt er auch schon seinen Kampf gegen selbstgezüchtete "Schädlinge" und "Unkräuter". Ein neuer Industriezweig, die Agrarchemie, widmet sich der chemischen Vernichtung dieser Gegner. Wir aber noch etwas Gespür für die Vorgänge in der Natur hat, erkennt, daß erst wir Menschen das massenhafte Auftreten einzelner Organismen ermöglicht haben. Wenn nur einige wenige Arten optimale Bedingungen für ihre Entwicklung vorfinden, dann breiten sich eben genau diese mit großer Durchsetzungskraft aus. Es fehlen jene natürlichen Feinde und Gegenspieler, die das System in einem fließenden Gleichgewicht gehalten haben."



04.05.07
Die Privatisierung der öffentlichen Güter geht weiter. Aktuell bestehen größte Bemühungen einiger engagierter Gruppierungen, die Privatisierung der Bahn zu verhindern (vgl. http://www.bahn-fuer-alle.de/ oder http://www.buergerbahn-statt-boersenbahn.de ). Die Bedenken werden von einer breiten und namhaften Front getragen. Negative Ergebnisse können seit Jahren in Großbrittanien bestaunt werden. Man spricht von ´Kahlschlag der Schiene´ oder ´Bahn-Ausverkauf´.  Die Regierung scheint sich jedoch nicht zu bewegen und leistet sich allgemein verdichtenden Vermutungen Vorschub, sie sei selbst kaum noch handlungsfähig, sondern werde zunehmend von Lobbies gesteuert.



02.05.07
"Prekäres Leben". Telepolis thematisiert das Leben junger Akademiker zwischen Praktikum und Prekariat. Lesenswert. Leider erreicht uns die Aufmerksamkeit für solche Dinge immer sehr spät. Es ist seit etwa 15 Jahren abzusehen, wohin hier die Entwicklung geht. Es begann mit einer unnachvollziehzbaren Herabsetzung von Hochschulakademikern gegenüber solchen von FH oder Berufsakademie. Und erst seit auch letztere darunter leiden ergab sich zunehmend eine öffentliche Klage. Schon Anfang der 90ger-Jahre mußte man sich als Hochschulabgänger der übermäßigen Theorielastigkeit bezichtigen lassen. Ja nahezu wurde die Aussage der gesamten Ausbildung in Frage gestellt. Was nicht zuletzt daher kam, daß methodisches und axiomatisches Denken schleichend diskreditiert wurde. Diese Entwicklung konnte auch schon davor uni-intern beobachtet werden.
Es ist sicher notwendig, Statistik und Empirie nicht unterzubetonen, aber die Methodik zu vernachlässigen erscheint unverzeihlich. Es wird jedoch verständlich, wenn man ahnungsvoll bedenkt, daß jedem reproduzierbar erworbenen Handwerk, jedem objektivierten Wissen und jedem möglichst kontextunabhängigen Denken eine Macht inne wohnt. Eine intellektuelle und tendenziell anarchische Macht. Was läßt sich nun daraus schließen, wenn die Träger dieser Macht  oder deren potentielle Träger, ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten scheibchenweise entfremdet oder entledigt werden?



12.04.07
Ein schöner Artikel in Telepolis von Heike Demmel. "Es ist micht leicht, die Folgen zunehmender Überwachung zu entdecken." Tatsächlich stockt ja die Diskussion nach dem arglos vorgebrachten Ausruf: ´Warum nicht - ich habe nichts zu verbergen´.
Dieser Feststellung ist sonderbar schwer zu begegnen. Es mag daran liegen, daß sie die Argumentation auf ein ganz anderes Feld verlagert. Selbstverständlich haben die meisten nichts zu verbergen. Und auch das Wissen von Kontrolleuren über unsere Privatsphäre erheischt bei allfälliger Abgegerühtheit nur noch ein mildes Lächeln. Sollen sie es doch wissen. Der Ausruf impliziert jedoch eine innere Odentlichkeit und Zielkonsistenz der Kontrolle. Und eine nahezu gottgleiche Unfehlbarkeit.
Spätestens wenn man über die fehlbare Kombination von aufgefundenen Stichworten im eigenen Datenverkehr in Terrorismusdatenbanken landet oder von der Fehlfunktion gar erst in der Untersuchungshaft erfährt -ist es aus mit der Arglosigkeit. Spätestens wenn über Generationen hinweg gesammelte Versatzstücke sich im Kontrolldatensalat wiederfinden und ganze Familien hop oder top bewertet werden - man aus unerfindlichen Grunden keinen Job mehr findet, nur weil der Urgroßvater mal bei Amazon ein Buch über den Islam bestellt hat, dann ist es zu spät (Anregungen dazu im gleichen Medium im Fünfteiler: "Zensur zwischen öffentlich und privat".
Der interviewte Jurist Patrick Breyer macht mit wenigen Worten überaus klar, daß einem Mehr an Überwachung nicht nur ein Mehr an Fehlern und Mißbrauch entsprechen wird. Im Wesentlichen bringt er vor - und dies dürfte der Punkt sein - daß bereits das Bewußtsein einer ständigen Beobachtung zu einer Selbstkontrolle der Bevölkerung führt. Man wird sich deutlich weniger frei oder kreativ verhalten wie ohne dies Maß an Beobachtung. Zu nennen ist ganz besonders auch die politische Aktivität.
In der Tat herrschte schon in der DDR ein Zustand, der in hohem Maße allein durch das ´Bewußtsein der Bevölkerung von Überwachung´ zustande kam und die dadurch erfolgte innere Vorzensur. All diese Variation von Verhalten und Mitwirkung ist jedoch konstitutiv für unsere Gesellschaftsform. Ist konstitutiv für das freihetiliche-demokratische System, zu dem sich unsere Verfassung aus Gründen bekennt, die wir bisher alle gefordert und für wichtig gehalten haben. Natürlich sind andere Systeme denkbar. Breyer führt außerdem an, die Kriminalstatistik habe sich durch eine zunehmende Verschärfung der Sicherheitsgesetze nicht Wesentlich gebessert. Ein Blick in die Geschichte kann das aus meiner Sicht zwanglos bezeugen. Es ist zu befürchten, daß man den Menschen mit schärferen Gesetzen bestenfalls leere Versprechungen macht und damit aber die Grundwerte ruiniert. Der Idee einer von Breyer vorgeschlagenen unabhängigen Grundrechtsagentur kann man sich nur anschließen, zumal die Verfassungsgericht bereits jetzt überfordert sind. Überhaupt darf ihre Effektivität in Zukunft meiner Meinung bezweifelt werden. Zu viele Gegenkräfte sind am wirken. Die unabhängige Grundrechtsagentur ist allerdings schwer zu konstituieren. Eine scheint jedenfalls klar, aus Vertretern der Krankenkassen oder der großen Konzerne sollte sie nicht zusammengestellt werden.

Einige Meldungen aus der Tagespresse (unkommentiert):
01.04.07 " `Top-Manager´ bekommen mehr Geld." Die Steigerungsrate habe sich nochmals erhöht. Der Vorstand eines DAX-Konzerns verdiente 2006 im Schnitt 2.7 Millionen Euro - 15,34 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr.  (aus WELT ONLINE).
28.03.07 "Einkommen stagnieren - nur die Reichen werden reicher".  Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die zehnt Prozent der Bevölkerung mit den höchsten Einkommen konnten demnach ihren Anteil am Gesamteinkommen in den Jahren  1992 bis 2001 um gut sieben Prozent steigern. Diese ´ökonomische Elite´ erzielte laut DIW einen realen EInkommensanstieg um 35%. (aus SPIEGEL ONLINE).
28.03.07 "Verfassungsfeinde feierten in Berlin" bzw. "Warum unterscheidet sich der Entwurf für einen europäischen Verfassungsvertrag so sehr vom Grundgesetz?" Grundsätzlich anders sei zb das nicht mehr vorhandene Verbot eines Angriffskriegs sowie die fehlende Verpflichtung zur Gewaltenteilung.
(Anmerkung: Die Gewaltenteilung wurde bei Definition der neuzeitlichen Verfassungsstaaten als unabdingbares Grundprinzip einer freiheitlichen Demokratie angesehen - balance of power.)
(Telepolis)


27.02.07 "Internationales Bündnis klagt gegen Patente auf Saatgut und Nutztiere." Der globale Aufruf richtet sich an die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes. In einer Grundsatz eintscheidung will das EPA in nächster Zeit darüber befinden, ob Patente für die Züchtung konventioneller Pflanzen grundsätzlich zulässig sind. Für den u.a. vom italienischen, argentinischen, indischen und spanischen Bauernverband (Anm.: wo ist der deutsche..?), Greenpeace und Misereor unterstützen Apell wurde am 26.3.07 eine eigene Homepage freigeschaltet (http://www.no-patents-on-seeds-org).
(Telepolis)



10.03.07
Das ist kein Blog...
Sondern eine zeitlich gestaffelte Übersicht themenverwandter Gedankenaufzeichnungen. Zum Blog fehlen wesentliche Dinge:
Das den Verstand sprengende unlogische Nebeneinander beliebiger Themen.
Die Verklammerung der Einträge allein durch innere Nabelschau.
Die Freude, den Leser zu verwirren und mit dem Text allein zu lassen.
Der Glaube, es genüge designte Software zu verwenden, ein wahlloses Nebeneinander zu produzieren und über diese Eckpunkte mit Massen andere einig zu sein....



06.02.07
Burkhard Schröder behauptet bei Telepolis, die Sache mit den PC-Zugriffen (Stichwort "Online-Durchsuchung" oder "E-Mails auf Festplatten lesen") des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen sei ein reiner Hoax, eine enorme Aufschaukelung von Miß- und technischen Fehlverständnissen. Tatsächlich häbe es ein derartiges Unterfangen nicht gegeben und werde es auch nie geben. In seinem feinsinnig versuchten mehrseitigen Beitrag gewinnt man in der Tat den Eindruck, er schreibe neuerdings für die Presseabteilung der Geheimdienste selbst.
Es mag ja sein, daß in der Presse mittlerweile alle voneinander abschreiben; daß es Beamte gibt, die dröhnende Stories von der gewaltigen technischen Potenz der eigenen Reihen allzugerne verbreiten und dabei Zeug daherreden, was dem informierten Fachmann lächerlich vorkommen muß.
Der informierte Fachmann - als auch der professionell ahnungslose Bürger - sie sollten in ihrem Gelächter (oder Schlaf) nicht vergessen, daß das geredete Zeug lächerlich erscheinen mag - die die es von sich geben aber nicht. Ihre Ambitionen sind undeutlich, aber das Interpretationspotential reicht von extrem sicherheitsbewußt bis extrem freiheitsfeindlich.
Das höchste deutsche Zivil- und Strafgericht, der Bundesgerichtshof hat am 5.2.07 jedenfalls entscheiden, daß die (verdeckte) Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten nicht von der Strafprozeßordnung gedeckt sei.
Immerhin. Allerdings, was macht das schon. Das Bundesland NRW strickt flugs eine neue Verfassung und schon scheint es erlaubt. Wenn das lästige Bundesverfassungsgericht nicht wäre. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum hat nun dankenswerterweise Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Burkhard Schröder will mit seinem Text möglicherweise einer allgemeinen Hysterie der kritischen Geister entgegenwirken (die ich allerdings nicht entdecken kann). Aber genauso wie er fast schon triumphierend seine technischen Feinsinnigkeiten und Details der Vorgänge ausbreitet - übersieht er wesentliche Dinge im vorhandenen Kontext.
So wird von ihm der NRW-Innenminister Ingo Wolf zitiert, dieser offenbar wörtlich:
"Die Beobachtung von Internetseiten, Chats und auch das Eindringen in Rechnersysteme ist daher ein notwendiges Instrumentarium für einen wirksamen Verfassungsschutz".
Weiterhin habe dieser ausgesagt/für notwendig empfunden:
"(..) Teilnahme an Chats, Auktionen und Tauschbörsen, die Feststellung, die Überprüfung der Homepagezugriffe, das Auffinden verborgener Websiten sowie der Zugriff auf gespeicherte Computerdaten."
Burkhardt Schröder zu all dem:
"Das heißt: Der Verfassungsschutz darf das tun, was jeder ander auch kann - zum Beispiel Inter(net) Relay Chat nutzen, Whois-Datenbanken aubfragen, bei Ebay handeln..."
Derartige Gedanken wie die hier von von Burkhard Schröder irritieren und verunsichern mehr als alles Gerede der Klatschpresse. Sie kommen kompetent daher, entspringen einem als kritisch und gut recherchiert bekannten Medium. Sie schockieren, weil man hinter ihrer gutherzigen Desinfiormation fast eine Gehirnwäsche riecht oder etwas entsprechendes und sonderbar abstrakt wirkendes. Global und diffus wie ein Nebel.
Muß man denn Volljurist sein, um einfache Texte verstehen zu können? Wolf sagt doch eindeutig: "..Zugriff auf gespeicherte Computerdaten". Zugriff - das ist ein aktiver willentlicher Akt von außen auf diese Daten. Es ist auch ein Zugriff, also etwas was ein Einverständnis des ´Zugegriffenen´ weder voraussetzt noch impliziert. Gespeicherte Daten sind dabei alle, auf die man nötigerweise zugreifen kann oder will. Schlechthin alles, was im Internet oder sonstigen Mediennetzen diesem Verfassungsschutz erreichbar ist. Also Server, Knotenpunkte, private Rechner, etc. Und man wird sich die technischen Möglichkeiten dazu schaffen, das impliziert die Aussage außerdem, sofern sie noch fehlen sollten Das gefährliche ist, daß hier jemand sagt: Ich will komplett zugreifen und ich werde auch noch versuchen euch das als gut und notwendig zu verkaufen. Dies und die dabei auf umfassende Kontrolle drängende Machtvision und Desinformation sind die große Gefahr, nicht ob der Geheimdienst das technisch schon kann oder nur auf Windows Rechnern oder nur bei dummen Anfänger-Usern.
Wolf sagt doch wie zitiert ebenso "....auch das Eindringen in Rechnersysteme ist daher ein notwendiges Instrumentarium für einen wirksamen Verfassungsschutz".
Das ist doch fast unmöglich falsch oder naiv zu verstehen. Wolf will ´eindringen´, also Schranken und Türen überwinden, durchstoßen, aufbrechen. Er will das auf `Rechnersystemen´ tun. Das sind, wie eben schon erwähnt, alle denkbaren, mindestens im Internet. Wie kann man so eine Aussage noch verharmlosen. Ob es nun bereits einen Bundestrojaner´ gibt oder nicht. Tatsache ist, daß Leute wie Ingo Wolf sicherlich einen benutzen würden wenn es einen gäbe.  Das ist beunruhigend genug, fast noch beunruhigender sind Leute, die es eigentlich wissen müßten - aber die freiheitswidrige Stoßrichtung derartiger Ambitionen nicht erkennen oder schildern wollen.




28.01.07
Die FDP äußert scharfe Kritik an den Absprachen im Hartz-Prozeß (dpa). .Leutheusser-Schnarrenberger: "Solche Deals beschädigen das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger in in unerträglicher Art und Weise". Der Deutsche Anwaltverein sieht das ähnlich. Hingegen Bundesjustizministerin Zypries: Sie will derartige Deals für die Zukunft sogar noch gesetzlich  untermauern und betrachtet ihre entsprechenden Pläne als "ausgewogen und an den Bedürfnissen der Praxis orientiert".  Zypries hat sich bereits bisher als verläßliche Größe erwiesen, wenn es darum ging rechtsstaatliche Machtkontrollmechanismen auszuhebeln oder Grundsätze der Gewaltenteilung nicht mehr anzuwenden, wie wenn das eine Frage von Opportunität oder Kosten wäre.
Fragen stellten sich schon im Vodafone/Mannesmann-Prozeß. ob man sich in Zukunft nun endgültig damit vertraut machen müsse, daß solche  Großkriminalität geradezu sanktionslos bleibt. Der Staat kassiert lediglich ein paar der veruntreuten oder zweckentfremdeten Gelder ab. Eine Art von Strafzettel, ohne wirklichen Unwertgehalt. Die kleine Ladendiebin dagegen, ist die wirkliche Straftäterin. Hier wird noch klassisches Strafrecht exerziert.



08.12.06
Florian Rötzer in Telepolis: "Seltsamerweise gibt es keinen Aufschrei, wenn nach einem neuen Gesetz der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen auch ohne richterliche Anordnung über das Internet in Computer zum Ausspähen eindringen dürfte – auch im Bundesinnenministerium plant man ähnliches".
Beim zeitverzögert dann doch noch vernehmbaren Aufschrei fällt auf, daß intellektuelle Kreise meistens viel zu leise - gewissermaßen unter Vorbehalt schreien. Und die breite Öffentlichkeit kriegt kritische Strömungen sowieso erst mit, wenn es zu spät ist. Dann freilich brüllt sie, wenn es noch geht. Aber bis dahin stilisiert sie gerne ein romantisches Bild von der guten Staatsmacht, die auf jeden Fall nur Wichtiges und Staatstragendes im Kopf hat. Man schwelgt in wohlhoffenden Gleichungen der Art mehr Polizist = weniger Verbrechen, mehr Kontrolle = mehr Sicherheit und Ordnung. 
Es gehörte immer schon zur Praxis einer effektiv arbeitenden Polizei oder eines Geheimdienstes, daß man Ergebnisse eben auch unter Verletzung offizieller Rechtsstandards erzielte. Auch in einem "westlichen Staat". Wer das nicht glaubt, hat ein Romantikproblem.
Einem besser ausgerüsteten Geheimdienst war es bisher schon technisch möglich in nur wenig geschützte EDV-Systeme einzudringen. Darüber hinaus wurden mit dem Anwachsen des Internet vor etwa 10 Jahren die damals so genannten "Provider" (Internet-Lieferanten) verpflichtet, zu Kontrollzwecken, zur Verbrechensbekämpfung bzw. als Zugriffsmöglichkeit für staatliche Sicherheitsdienste auf ihren Servern eine speziell für diese Zwecke designte Schnittstelle zu schaffen. Dies bereitete vielen kleinen Providern erhebliche Kostenprobleme und sie mußten aufgeben oder sich an Konzerne anschließen. 
Für alle die es nicht wissen, diese Schnittstelle hat man bereits. Das floß in die aktuelle Diskussion überhaupt nicht mit ein. Natürlich hat man sie zur Benutzung "im Rahmen der Gesetze".
Man muß bedenken, daß über eine derartige Schnittstelle wenn man es richtig macht bereits praktisch jeder Datenverkehr im Internet überwacht und sogar detailliert, bis hin zu den Mailkonten auf den Servern, gescannt und dokumentiert werden kann.
Avantgardisten wie Innenminister Wolf/ NRW scheint das aber nicht zu genügen, sie wollen offenbar nicht nur auf die Server und Knotenpunkte, sondern schlechterdings in jede Kiste hinein. So wie es aussieht auch ohne bisher notwendige richterliche Absegnung.
Man könnte süffisant lächeln über die Vorgänge. Es ist durchscheinend, was da passiert. Die Sicherheitsdienste sehnen sich nach mehr Kontrollmöglichkeit, praktisch nach Freifahrscheinen auf so gut wie allen Ebenen. Sie behaupten, daß sei notwendig, sonst sei keine effektive Kontrolle möglich. Auf sich selbst wenden sie das Argument aber nicht an. Sie selbst möchten möglichst viel kontrollieren - sich selbst wollen sie aber möglichst wenig, eigentlich gar nicht kontrollieren lassen. Nun ? An was erinnert das.
Ein derartiges Ausufern von Kontroll- und Machtansinnen wäre noch vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen. Es war in der Verfassung ursprünglich auch nicht angelegt. Wir bekamen die ersten großen Einbrüche im Rahmen der Terroristengesetze in den 60ger/ 70ger-Jahren. Als Antwort auf eine Linke, die durch ihr extremes Handeln Grund und Anlaß für verschärfte Gesetze und Kontrollen setzte. Man kann wohl sagen, "an einer Verschärfung schuld war". Erstaunlich daß der frühere Bundesinnenminister Schily damals als anwaltlicher Verteidiger der extremen Linken operierte. 
Als Bundesinnenminster zeichnete Schily verantwortlich für eine Reihe aktueller Verschärfungen. Es gäbe noch viel Verwirrendes zu berichten. Zum Bespiel von der Verdrehung von Ursache und Folge. Liegt es nun an den vielen Autos, daß wir so viele Straßen haben oder ziehen die Straßen die Autos an? Reagiert sich die Jugend an Computerspielen ab oder baut sie Aggression erst auf? Müssen wir uns eine nie dagewesene Bedrohung durch weltweiten Terrorismus vorstellen oder möchten wir uns das vorstellen und warum.
Wir können in diesem Jahrzehnt mit ansehen - sind Zeitzeugen - wie wesentliche rechtsstaatliche Errungenschaften geradezu verheizt werden. Mit dem Rückenwind einer Terroristenangst, die bereits seit fünf Jahren keine wirklich neue Nahrung gefunden haben dürfte. Man sich dazu nach immer weiter an Boden gewinnenden Untersuchungen entsetzlicherweise sowieso fragen muß, wo sich die wirklichen Akteure offenbaren werden. Angst, die sich, für Deutschland bisher unbekannt, aus Übersee nährt, vom Islam, dem ewig Fremden oder immer realer, den erleuchteten Träumen amerikanischer Machthaber.
Amüsant daß mittlerweile so ziemlich jeder, der sich auf Macht versteht, versucht mit Gottes Stimme zu sprechen. Sehr konsequent, aber eigentlich ist es doch eine alte Kamelle.
Die ewig ahnungslosen Menschen im Land vertrauen ihren gewählten Politikern dennoch. Vertrauen weiterhin, aus Mangel an Alternativen. Vertrauen, wie um etwas gesundzubeten, was trotzdem immer weiter verkommt.
Wir dulden auch die unbekannte aber sicher stattliche Zahl von Politikern aus der ehemaligen DDR. Politikern und sonstigen Einflußnehmern, die im Vergleich mit westlichen Standards in ihrer Schul- und Ausbildungszeit kaum eine taugliche Demokratieausbildung und -einübung abbekommen haben. Geschult in Kaderdenken und Einheitspartei, in Intoleranz und Stasiallgegenwart. Nun sitzen sie in einer hiesigen Partei, einer Behörde oder sonstewo, erzählen uns Altgedienten etwas von Demokratie, sind Minister,  Kanzlerin gar.  
Es könnte ein Rührstück sein, wenn sich darüber weinen ließe. Es geschah schleichend, nahezu unbemerkt. Ach, stolzes Ergebnis von Jahrhunderten der Knechtschaft in Ketten und Ausgesetzheit.  Willkür und Ausplünderung durch Feudalismus und falsche Päpste, Hexenverbrennungen, blutige Bauernkriege und zuguterletzt auch noch Hitler. Am Ende - der aufgeklärte Mensch der Moderne.
Geläutert und eigentlich fast schon weise. Ein eigen Grundgesetz, Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Hoffnung. Deutsche Mark! Nun wurde alles gut.
Und dann kamen die Wiedervereinigung, der Euro, Europa. Hunderttausende zufriedener Gutmenschen durften sich endlich zurücklehnen und den Bauch pinseln lassen, während sich ihre geblähten Gelbeutel wie von Geisterhand öffneten, ein paar Telekomaktien kauften und sogar noch Trinkgeld gaben. 



18.11.06
Nicht nur die Augsburger Allgemeine beklagt sich - Korruption sei eine deutsche Wachstumsbranche. Dabei entsteht wie auch in anderen Mißstandsbereichen immer der Eindruck - das ist neu, das gibt es erst seit gestern!
Wer seit Jahren die Augen offen hält konnte sie überall ahnen, riechen und nahezu greifen, die sehr verbreitete und sogar weiter zunehmende Korruption. Nicht nur in der Baubranche. Überall wo es um etwas mehr Geld geht. Und nicht nur zweifelhafte Sachbearbeiterchen sind verdächtig, sondern hohe Manager, Minister, Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Polizeipräsidenten. Gut und deutsch, ganz und gar und zweifellos made in germany. Das ist infam - finden wir da ganz unten. Kanzler Kohl wirkte damals so glaubwürdig. Sie wirken alle glaubwürdig ! Das ist ja der Witz.
Warum müssen solche Dinge immer erst Jahrzehnte später in der Zeitung stehen? Warum sind nicht wenigstens die Journalisten schneller? Die Einschaltung des eigenen Hirns ist halt kaum zu ersetzen und wie sich nach 60 Jahren Demokratie zeigt auch kaum zu delegieren. Alle brechen uns weg, sogar die Presse schreibt nur noch, was WIR hören wollen. Wer wird sich denn nun um die Demokratie kümmern? Verdammt. Wenn es so weiter geht werden die Bürger vor lauter "Ich will auch mitmachen beim böse Terroristenfangen" demnächst noch bereit sein, den Nachrichtendiensten eine eigene Kamera in ihrem Schlafzimmer zu installieren. Damit sie sicherer ruhen können...
Ach, es gäbe da noch vieles zu nennen, was die Öffentliche Meinung momentan nicht entdeckt, weil es  noch zu wenig nach Gammelfleisch riecht Was aber schon lange da ist. Wie zb diese riesige Blase an Freiheitsrechtsverlusten rund um den zunehmend überwachenden und aufzeichnenden Staat - mit seinen Trabanten - den Weltkonzernen, die er nährt und die ihn dafür liebevoll verschlucken werden.


13.10.06
Ein Zuckerl in Telepolis zum Thema USA: Weil ein Schüler der fünften Klasse auf einem gemeinsamen Klassenausflug im Museum eine unbekleidete Statue sehen konnte, wurde die verantwortliche Lehrein entlassen. Zugetragen hat sich das in Texas, auf einer Grundschule in Fresco. Dazu der Beginn des Artikels von Wolf-Dieter Roth: "Texas gilt als das Bayern der USA..."


10.10.06
Es ergab sich eine tolle Ergänzung zu Günters Krassvorfall: Der Briefe veröffentlichenden FAZ (s.u. 1.10.06) schickte der Literat einige Tage später seinen Anwalt. Nach Meldungen erstaunlicherweise aber nicht wegen Verleumdung, übler Nachrede oder sonstigem Vorwurf wahrheitswidriger Äußerung - nein - falsche Tatsachen waren offenbar gar nicht behauptet worden, alles schien zuzutreffen wie von der FAZ berichtet. Er machte Verletzung des Urheberrechts geltend (hiermit ganz en vogue und im Zeitgeist schwimmend), Ach je - war dieser Abstieg auch noch nötig.
Man hätte sich eine Dynamisierung seiner Taktik erwartet, ein nun offenes Auseinandersetzen mit der Presse über jene SS-Geschichte. Wenigstens den Versuch einer literarischen Überhöhung, nach dem Motto: "Seht, so schlimm stand es mit uns Deutschen, auch der Gutmensch aus dem Bilderbuch hat Wolfshaar auf dem Rücken". Oder: "Ich revidiere alles, wir Deutschen sind doch nicht schuld  - niemand konnte anders, denn offenbar konnte nicht einmal ich es". So in der Art...
Wer anderen hohe Moral predigt muß selbst Handlung zeigen. Der Öffentlichkeit die Entdeckung dieser offenbar authentischen Briefe zu belassen wäre nach der Vorgeschichte ein Mindestakt an praktizierter Moral und sportlicher Fairneß gewesen.
Aber welche Heldentat folgte.....ein Anwaltsschreiben, auf dem Terrain des formalistischen Urheberrechts. Mehr fiel ihm nicht ein als so ein bigottes Nachtarocken auf Nebenschauplätzen? Was für ein Jammer und was ein Verlust.




01.10.06
Günter Grass... Augsbuger Allgemeine Zeitung vom Wochenende: In der FAZ wurden Abschnitte von Briefen des Literaten veröffentlicht, die er vor 30 Jahren an den früheren Witschaftsminister Karl Schiller geschrieben hatte. Darin mahne er diesen, eine ehemalige SA- und NSDAP-Vergangenheit doch offenzulegen. Unter anderem: " (..) Es wäre für Sie eine Erleichterung und gleichfalls für die Öffentlichkeit so etwas wie die Wohltat eines reinigenden Gewitters (..)".
Wie sensibel (und richtig) empfunden. Was tat Schiller? Er nahm es sich zu Herzen und mahnte postwendend seinerseits den Herrn Kiesinger wegen dessen Nazivergangenheit. Offenbar ohne bei sich selbst angefangen zu haben. Wer keine derartige Vergangenheit hat kann sich sicherlich über den darin lagernden Druck kein rechtes Bild machen. Ein Schuldvorwurf an Grass für das jahrzehntelange Aussitzen des eigenen reinigenden Gewitters - wäre dennoch verständlich. Aber man ist bereit abzuwägen, bereit zu verzeihen und so schlimm kann er sich als noch Fast-Jugendlicher damals ja nicht aufgeführt haben....und wer weiß wie wir selbst gehandelt hätten. Schließlich die vorhandenen Verdienste eines Nobelpreisträgers, die bisher unbilanzierte aber doch irgendwie vorhandene innere Wiedergutmachung an diesem SS-Umstand. Dessen endgültige historische Bewertung wohl sowieso noch aussteht. Konnte er nun, gerade er, damals zur SS eingezogen werden oder bedurfte das seiner freiwilligen Meldung?

Aber nun. Diese Briefe. Da entsteht dégoût. Da hatte einer Schuldsprüche bereits gezimmert, Gleiches Recht für alle, am Rande auch für sich selbst. Nahm sich aber aus, projizierte offenbar auf andere und der Benannte projizierte weiter. Und man ahnt, wie oft das noch so laufen mag. Da fühlt man Widerwärtiges. Jedenfalls keine Größe.



01.10.06
Die Augsbuger Allgemeine Zeitung meldet am Wochenende: "´Big Brother´ in deutschen Klassenzimmern". Man muß mehrfach lesen, um das zu begreifen.
Die Kultusministerkonefrenz (KMK) will offenbar über die Einführung einer Schüler-Datenbank beraten. Man erhofft, dadurch Gründe für Erfolg und Mißerfolg deutscher Schüler herauszufinden (u.a. Pisa). Natürlich ist die Führung eines persönlichen Schülerprofils sowie seiner Leistungen inklusive (gläserner Schüler). Lehrer befürchten, dort im Annex ebenfalls gelistet zu werden. Dies alles wird von der KMK so gut wie arglos vorgebracht. Man handelt schließlich nach bestem Wissen und Gewissen. Man handelt mittlerweile auch so, wie wenn die Einführung von Menschendatenbanken per se etwas sehr Gutes und Tolles wäre, wie wenn kein Mensch der Welt etwas dagegen haben könnte. In der Tat kann man sich dabei schon fast auf eine Gewohnheit berufen, jedenfalls einen Trend. Ähnliches hört man aus vielen Bereichen. Es ist machbar, also tun wir es. Es kann zumindest der KMK nicht schaden, also tun wir es. Datenschutz wird mit einem Hinweise erledigt - Belange des Datenschutzes werden selbstverständlich gewahrt. Nach strengsten Regeln, klar.
Aus meiner eine unglaubliche Schamlosigkeit, etwas derartiges zu versuchen. Es ist außerdem empörend, wenn der Staat selbst seine eigene Verfassung derart demontiert. Nach einem Eid seiner Vertreter auf die Verfassung. Eine Zunahme von persönlichen und intimsten Informationen an  zentralisierter Stelle, an prinzipiell verfügbarer Stelle, in mißbrauchbaren und transferierbaren Datenbanken - beseitigt faktisch die Gewährbarkeit von Grundrechten. Man kann sie danach noch so sehr beschwören oder gut finden - sie höhlen sich automatisch aus. Es wird sie keiner mehr gewährleisten können. Es entsteht ein zusehends unkontrollierbares Gefährdungspotential durch Daten. Der Einzelne wird kontroillierbar, erpreßbar, verintrigierbar. Seine Daten werden auch prinzipiell handelbar. Wer möchte, wer kann überhaupt garantieren, daß alle gesammelten Daten nicht mißbraucht werden, schön ordentlich am vorgsehen Platz bleiben, unter vorgesehener Verortung und Kontrolle bleiben.  Das ist nicht möglich und eine beunruhigend, ja haßlich naive Vorstellung. Im Gegenteil, der Staat mit deiner zunehmenden Neigung zur Privatisierung und seinen Geldnöten könnte sich durchaus in der Situation sehen, vom Bestand auch mal was zu verkaufen oder gleich alle Dastensammlungen in privatisierte Hand zu geben. Natürlich nach vorherigem heiligem Schwur  auf den Datenschutz. Die Wirtschaft hat ohnehin bereits eigene Datenbanken angelegt und handelt diese schwunghaft, die Begehrlichkeit nach derartigem Material aus erster staatlicher Hand wäre riesengroß.

Es wird als Binsenweisheit angesehen, daß die Demokratie ohne garantierte Freiheitsrechte nicht zu existieren vermag. Diese bedeuten auch Handlungsfreiheit, Freiheit vor dauernder Begutachtung und Kontrolle. Nicht weil man etwas zu verbergen hätte, sondern weil damit eine abstrakte Freiheit garantiert wird und im Einzelfall auch konkret umsetzbar sein soll. Wenn an anderer Stelle über einen nahezu alles gewußt wird, reduziert sich diese abstrakte Freiheit tendenziell auf Null. Nicht weil einem dann prinzipiell keine Handlungsfreiheit mehr verbliebe, sondern weil die Daten immer schon vor einem da sind, egal was man tut. Sie brauchen sich nicht mehr zu bewerben - man weiß sowieso schon alles und daß Sie in der fünften Klasse mal eine asoziale Phase hatten. Die Handlung tritt in den Hintergrund, in den Vordergrund tritt die immer mehr notwendige Rechtfertigung vor vorhandenen  Daten. Die Mühsal, auf deren richtige Interpretation zu achten, Fehleintragungen oder mißverständliche Passagen gegebenfalls gerichtlich löschen lassen zu müssen. Das Wort ist oft schwach und wer wird hier die Interpretationshoheit der Datenbanken-Daten erhalten?
Die frustrierende Vision, sich so zu verhalten, daß in Zukunft möglichst wenige oder wenigstens ganz eindeutige oder "gute Daten" entstehen. Das erzeugt einen unwahrscheinlichen Anpassungs- und Selektionsdruck - auch wenn er nirgends vorgeschrieben werden sollte. Aber dafür ist man offenbar blind. Technik muß sich weiterhin kaum rechtfertigen, sie ist göttlich in sich. Die meisten Menschen handeln wie ferngesteuert durch bereits irgendwo in ihnen wirkende Aliens. Rechtfertigen muß sich dagegen der Mensch.


30.09.06
Krieg zwischen Israel und Libanon. Weitere Entwicklungen zwischen USA und Irak. Atomkontriolle des Iran. Kein Kommentar.


18.09.06
Holger Bleich in c't 19/2006, Seite 60 - Forenhaftung entschärft - Oberlandesgericht Hamburg verneint Vorab-Kontrollpflicht. "Betreiber von Internet-Foren müssen nach Auffassung des hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) in Hamburg nur bei konkreter Gefahr von Rechtsverstößen die von Teilnehmern eingestellten Beiträge kontrollieren. Eine generelle Kontrollpflicht würde die Möglichkeiten des freien Meinungsaustauschs in grundrechtswidriger Weise einschränken, so die Begründung. "
Das ging fast ins Auge.
Überaus erstaunlich dazu. Bei Beratung und Drucklegung des Teledienstegesetzes war den Beteiligten deutlich die besondere Situation von Internet-Foren vor Augen gestanden. Man hatte in Anlehung an die Besonderheiten des Medium Internet und die in den Foren zum Ausdruck kommende Möglichkeit zu spontaner Meinungsvielfalt, vielfältigem Austausch - aber auch einer gewissen Art von Basisdemokratie und Selbstkontrolle - davon abgesehen, dem Forenbetreiber eine umfassende oder jederzeitige Kontrollpflicht für das Forengeschehen aufzuerlegen. Anders als bei herkömmlichen Printmedien.
Rechtsprechung wie die der Vorinstanz in oben genanntem Verfahren („Foren-Urteil“ des Landgerichts Hamburg) verunsichert nicht nur, sondern wirft die Frage auf, wie kreativ oder repressiv ein Gericht das Gesetz verstehen oder nichtverstehen darf. Die Hamburger Landrichter hatten eine Vorabkontrolle von Postings verlangt. Zwar von einem Unterlassungsanspruch kommend (dieser sei gesetzlich nicht geregelt...). Damit wäre aber über den Unterlassungsanspruch die Haftungserleichterung de facto ausgehebelt und das Medium der Foren wäre weitgehend erledigt.
Die Frage der Forenhaftung wird trotzdem weiter umkämpft bleiben, insbesondere da das kommende Telemediengesetz in dieser Frage alles beim alten Text beläßt.
Nach einem anderen Urteil soll bei ehrverletzenden Äußerungen der Forenbetreiber private Daten seiner Nutzer an denjenigen weitergeben, der sich verletzt fühlt. In der Tat, Man liest richtig, bloß verletzt fühlt. Eine solche Datenweitergabe würde zwar den potentiell Verletzten in die Lage versetzen, seine Rechte durchzusetzen. Sie würde aber auch gegen Datenschutzvorschriften verstoßen. Im Ergebnis dürfte es demnach auch für Opfer von Gewalttätern oder zb Stalkern keine anonyme Diskussionsplattform mehr geben, es genügt wenn sich der Stalker durch die Äußerungen verletzt fühlt. Schon soll er Anspruch auf Name und Adresse des Äußernden haben... Auch dies also von der Potenz her ein Killerurteil, welches die Zerstörung des Forengedankens als in sich trägt. Immerhin ergibt sich noch eine Revisionsmöglichkeit vor dem BGH.



22.06.06
Ein "Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek" ist in kraft. Warum auch nicht. Demnach soll die Deutsche Nationalbibliothek nicht nur körperliche, sondern auch unköperliche Medienwerke ("alle Darstellungen in öffentlichen Netzen"; §3 Abs.3 DNBG) erfassen.
Bisher dachte ich immer, eine Bibliothek ist ein Ort der selbständigen Inventarisierung und Sammlung. Aber nach dem DNBG, Hut ab das ist kreativ - werden "Ablieferungspflichtige" definiert. Das sind mangels näherer Definition zb. alle, die im Internet eigene Texte stehen haben oder so etwas wie hier veröffentlichen. Wir müssen nun Kopien abliefern, sonst kann die Deutsche Nationalbibliothek eine Ersatzvornahme starten und die Kosten auf uns umlegen. Es kommt noch besser, nach §19 Nr.3 DNBG wird allen, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, vorsorglich ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro Höhe  angedroht. 
Wer also mangels Geld oder Zeit nicht dazu in der Lage ist, der Aufgabe regelmäßig nachzukommen, wird - schon um vorprogrammiertem Ärger aus dem Weg zu gehen - seine Veröffentlichungen lieber sein lassen. Es handelt sich also um auch um ein Literaturverhinderungsgesetz. Und je nach Genauigkeit und Schärfe bei der umsetzenden Behörde, um indirekte Zensur. Mir scheint, nicht nur Existenzgründer, denen ja deutlich bürokratischen Knüppeln zwischen die wackeligen Beine geworfen werden haben es schwer. Jeder, der eigeninitiativ frohlocken möchte oder freiheitliche bis kreative Gedanken unterhält, steht neuerdings voll in der Schußlinie.



01.06.06
"Gen-Raps ist außer Kontrolle". Ein Artikel in Schrot & Korn Juli 2006.  Der kanadische Bauer  Percy Schmeiser ist dem Streit mit dem Konzern Monsanto nicht ausgewichen und hat teuer dafür bezahlt. Der Hintergrund zusammengefaßt: Auch genmanipulierte Gewächse pflanzen sich fort und kontaminieren dabei die offen liegenden Felder anderer Pflanzen. Grundsätzlich ein Anlaß für Schadenersatz - zugunsten des Inhabers der kontaminierten Felder! Nicht so die (auch hierzulande) übliche Rechtsprechung der Gerichte. Der Eigentümer der Felder sei Besitzer der eingeflogenen Pflanzen geworden und lasse diese ohne Lizenz auf seinem Boden wachsen. Er hat daher Schadensersatz an den Eigentümer der Patenrechte zu zahlen. Dazu kommt, daß Ersatzzahlungen in derartigen Rechtsbereichen (dto. Urheberrecht) klassischerweise in völlig überhöhten Summen gehandelt werden.
Hier wirkt eine hanebüchene, komplette Verkehrung von Gut und Böse. Sozialwissenschaftlich und psychologisch allerdings nicht uninteressant: Man kann, nicht nur bei den beteiligten Richtern, Fallstudien beginnen, in welcher Art und Weise Vermachtung und Rechtsauflösung Einfallstore finden und sich etablieren.



26.03.06
Im Streit um die Mohammed-Karrikaturen entsteht nur ein leiser Aufschrei westlicher Aufklärungsdenker. Wenig Besinnung darauf, daß moderne Freiheitsrechte weitgehend kirchlichen Restriktionen abgetrotzt werden mußten. So unangenehm das den heutigen Religionsorganisationen erscheinen muß und so notwendig deren ethische Existenz und caritative Wirkung ist. Erschreckender weise  bewegt sich die Stimmung  sogar hin zu einem  Nachahmen radikalreligöser Gottestaatsmuster.  Mit übergroßem Verständnis für die aufschreienden Islamisten oder gar Forderungen, hier Ähnliches unter Strafe zu stellen. Erstaunlicherweise - und das scheint bei näherem Hinsehen eine Wirkungslogik zu sein - wird dabei gerade mit Freiheitsrechten argumentiert. Man folgert aus der verbrieften Religionsfreiheit heraus, daß man also verpflichtet sei, deren Bestand zu schützen und restriktiv gegen Religionsfeinde vorgehen müsse. Dies würde man dann tun, indem man weitere tiefe Einschnitte in die anderen Freiheitsrechte des Grundgesetzes vornimmt.

Bei dieser Gelegenheit: Es ist ohnehin erstaunlich, wie im Bereich der eigentlich unveräußerlichen Grundrechte immer mehr Tafelsilber aus geringem Anlaß verschleudert wird. Man hat keinen Überblick mehr über die Wertigkeiten oder befindet sich bereits in der Situation des Kapitäns, der die Bordplanken verheizt. Ebenso hat man im arbeitsrechtlichen Bereich den Eindruck, daß die meisten Verantwortlichen bereit sind, ja förmlich danach lechzen, für ein paar vermeintliche arbeitgeberseitige Erleichterungen sogleich die in mehr als hundert Jahren schwer erkämpften Arbeitnehmerpositionen lächelnd preiszugeben. Und zwar für nichts bis wenig. Welcher Arbeitgeber würde tatsächlich deutlich expandieren oder mehr für die Volkswirtschaft tun, nur weil die Politik ihm eine Steuererleichterung von ein paar lächerlichen Prozenten gibt oder die Lohnnebenkosten etwas veringert. Das sind dumme Sprüche aber die Politik scheint sie tatsächlich zu glauben. Für echte Bewegung bedarf es ganz anderer Dinge. Doch für ein paar neckische Konjunkturspritzen, für Aktionismus, für Knallfrösche - regelrechtes Tischfeuerwerk, da opfert man schnell mal ein paar bewährte Eichenplanken. Man verheizt wichtige Bestände in Strohfeuern, ahnungslos oder böswillig. Dies ist ein Teil der beobachtbaren Rückwärtsschrauibe in den Freiheitsrechten.


14.02.06
Ein kleiner Vorgriff. Heute ist zwar Valentinstag, aber in fünf Monaten wird auch DADA 90. Jedenfalls sieht man das so, weil DA mit Hugo Ball die erste entsprechende Veranstaltung in Zürich im Cabaret Voltaire stattfand.


04.02.06
Gleiche Ausgabe der AZ. Auf Seite 4 ein Porträt des Unternehmers Hipp, der für seine Produkte keine gentechnisch veränderten Ausgangsstoffe zuläßt. Nachdem sich Deutschland aber genau für solche Techniken im Anbau nun aktuell öffnen möchte, bekommt er freilich ein Problem und wird sich konsequenterweise im gentechnikfreien Ausland eindecken müssen. Der Artikel endet mit einem Zitat des Unternehmers, daß die große Mehrheit der Verbraucher und auch die Bauern, die Grüne Gentechnik (damit ist wohl die im Lebensmittelbereich gemeint) ablehnen würden. Man sich also frage, was der ganze Zirkus soll, wenn ihn eh keiner wolle.
Das klingt flapsig, aber auch fast empörend naiv. Verständlich, daß sich der Unternehmer mit niemandem anlegen möchte. Rührt doch die Aussage an einem Tabu. Es geschieht nämlich in einem sehr kritischen Bereich offensichtlich etwas von einer Mehrheit Ungewolltes und das ist dem geltenden System nach nicht möglich. Wenigstens das erschreckende Ergebnis müßte sehr viel öfter, klarer und aufrüttelnder herausgestellt werden: Es geschieht - und man kann offenbar nichts dagegen tun.



04.02.06
Ein Kommentator plädiert auf Seite 2 der heutigen Augsburger Allgemeinen Zeitung für eine Bundestagswahlperiode von 5 Jahren. Das spare dem Steuerzahler Geld und ermögliche ein effizienteres Arbeiten. Nicht vergessen solle man außerdem, dabei gleich auch noch ein Selbstauflösungsrecht des Palaments einzuführen. Denn dies würde der Republik Schauspiele wie im vergangenen Sommer ersparen, als der Kanzler das Instrument der Vertrauensfrage ad absurdum hätte führen müssen, um Neuwahlen zu erreichen.
Klingt das plausibel? Ja? Es ist anzunehmen, daß damit lediglich der aktuelle Meinungsstand wiedergegeben wird. Heute eine längerer Wahlperiode, morgen das Selbstauflösungsrecht. Übermorgen das auf Dauer von 10 Jahren gewählte Minimalplenum, welches in dieser Zeit das Recht hat, Regierungen und Vollparlamente nach Erfordernis aufzulösen oder zu besetzen. Effektiver könnte das schon sein... Es gibt zunehmend ganz erstaunlich viele zertifizierte Demokratieposten, welche immer mehr in Vergessenheit geraten. Das Selbstauflösungsrecht zB wurde nach der letzten Republik ganz bewußt abgeschafft. Ein Parlament kann sich damit bei Bedarf sozusagen für unzuständig erklären. Besonders in Krisenzeiten kann dies zu unwahrscheinlichen Eskalationen und Regierungsblockaden führen. Was wiederum den Ruf nach Klarheit und einer verbindlichen Handlung von oben weiter verstärkt. Schließlich wird es von allen als Erlösung empfunden, wenn sich überhaupt noch Verbindlichkeit herstellen läßt. Man nimmt alsdann gerne in Kauf, daß nun eventuell ein Interimsbeauftragter waltet, ein Notbevollmächtigter, ein Sonderpräsident oder gar ein Militär, wie auch immer. Man wird dabei auch nicht zimperlich sein und erweiterte Rechte zugestehen, die Not ist groß und natürlich handelt es sich ja nur um eine Übergangslösung (..).


29.01.06
Beitrag "Sicherheit als einzige Antwort auf den Terror?" (Michael Plöse, Telepolis bei heise.de vom 29.1.06); Auszug aus dem Absatz "Die gefährliche Theorie vom ´Grundrecht` auf Sicherheit":

Zur Lektüre möglichst vieler. Es trifft den Kern der modernden Staatsfrage. Ich zitiere unkommentiert:

[...
Unzweifelhaft gibt es eine Pflicht des Staates, für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen. Indem sich die Bürger darauf berufen können, gibt es auch ein (An-)Recht auf staatlichen Schutz. Auf was aber die Idee von einem Grundrecht auf Sicherheit in der aktuellen Debatte hinausläuft, ist ein Grundrecht auf Entrechtung. Denn dieses "Grundrecht" bedeutet im Kern nichts anderes, als dass zu seiner Durchsetzung originäre Freiheitsrechte wie Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichheit, Glaubens-, Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Recht zur informationellen Selbstbestimmung, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die Unverletzlichkeit des Wohnraums und die Justizgrundrechte eingeschränkt werden. Das aber ist der Wolf im Schafspelz, die Pervertierung des Grundrechtsgedankens schlechthin.

Mit solchen Instrumenten haben Regierungen überall auf der Welt die vom Terrorismus gestellten Herausforderungen angenommen. Dabei geraten Aufgabe und Interesse nicht nur gelegentlich durcheinander, und was oft als ein Kampf um ein "Mehr an Sicherheit" daherkommt, ist selten mehr als ein Kampf um die Macht, der mit den Interessen der Bevölkerung nichts mehr zu tun hat, aber auf deren Kosten geführt wird ...]


18.01.06
War das bekannt? Telepolis zitiert "La Tribune", welche berichtet, daß in Frankreich 70% der Landwirte 17% der dort ausgeschütteten Agrarsubventionen erhalten. In Dänemark bekommt von ausgeschütteten 1,2 Milliarden Euro allein die Fa. Arla Food Ingredients (Großhandel für Milchprodukte) 64 Millionen. 21 Millionen erhält Danish Crown, offenbar Europas größter Schlachthof. In Deutschland dürfte es ähnlich aussehen. Agrarsubventionen fördern ganz überwiegend nicht die Masse der Landwirte, deren Milch-, Weizen oder wie auch immer -produktion, wie wir das immer gedacht haben. Sie fördern die industrielle Massenproduktion bzw. die exportorientierten Nahrungsmittelfabriken. Unterstützen derart u.a. auch das Bauernsterben in Europa. In den Niederlanden zähle beispielsweise der Weltkonzern Nestlé zu den Top-Empfängern von EU-Agrarbeihilfen.


13.12.05
Für John Petersen ist Ethanol der Treibstoff der Zukunft. Bei Autos im Übergang mit "Flexible Fuel Vehicles" (das ist ein Zitat). Bioorganisch produziert, aus Mais, Zellulose, etc. Etylalkohol, Äthanol,  Alkohol, Alk.


14.11.05
Doch kein Liebesverbot am Arbeitsplatz. Das LArbG Düsseldorf ließ sich nicht verwirren und stellte fest (10 TaBV 46/05): Unternehmen in Deutschland dürfen ihren Beschäftigten persönliche Beziehungen untereinander nicht verbieten. Sei es nun ein kurzer Flirt oder gar die große Liebe.
Am 11.11. begann ja die närrische Zeit - es handelt sich aber um keinen Scherz. Noch vor ein paar Jahren hätte man gar nicht begriffen, was überhaupt gemeint sein könnte. Und doch ist es wahr und ernst Man hatte das Verbot in eine unternehmensweite "Ethik-Richtlinie" verpackt. Ethik (....).
Liebe ist natürlich unethisch, persönliche Beziehungen auch. Es war sogar eine interne Meldestelle vorgesehen -  für willige Denuntianten. Die Perversion wird zum Charakteristikum unserer Zeit. Liebe zu verhindern - Denuntiation zu fördern. Das ist also die Ethik.
Selbstverständlich ging die Sache von einem us-amerikanischen Unternehmen aus, wurde national aber bereits nachgeahmt.




03.10.05
Die Bundestagswahl ist vorbei. Was erstaunt ist, daß maßgebliche Politiker immer wieder erwähnen, daß der Wähler eine große Koalition gewollt habe. Wir müssen den Willen des Wählers akzeptieren... Offenbar nutzt man die Gelegenheit, um sich als gebundenes und nur ausführendes Organ des Volkes zu präsentieren. Alles was geschieht ist EUER Wille....Indessen, der Wähler hat lediglich abgestimmt. Es ist wohl in Vergessenheit geraten, daß das Volk keine Fraktion ist, wo man sich unterirdisch oder in Aussschüssen vor Abstimmungen verbindlich auf Leitlinien verabredet. Genauso wurde zur Kanzlerfrage von allen Kommentatoren geflissentlich übersehen, daß der Kanzler grundsätzlich nicht verabredet werden muß oder per Koalitionsvertrag ernannt wird, sondern durch Bundestagsabstimmung. Prinzipiell keine Absprache nötig, lediglich eine demokratische Abstimmung. Das fast vergessene Gesetz lautet Grundgesetz und regelt die Frage einfach und eindeutig in Artikel 63 Absatz 2. Was geschieht, wenn das nicht gleich klappt steht in den folgenden Absätzen. Das wäre zunächst mal alles.


30.09.05
Nach einer Meldung in den Yahoo-Nachrichten darf in Florida ab sofort geschossen werden. Gouverneur Jeb Bush billigte unter Mitwirkung von Waffenlobbyisten der National Rifle Assoiciation im April ein Gesetz, das jedem, der sich in der Öffentlichkeit bedroht fühlt das Recht gibt, eine Waffe zu ziehen. Wenn das mal keine bemerkenswerte Ergänzung zu unten 16.7.ist.


16.09.05
Harald Neuber berichtet per 15.09.2005 in Telepolis: "Mit der Durchsuchung der Redaktion des Monatsmagazins Cicero setzt sich eine Serie von polizeilichen Verstößen gegen die Pressefreiheit fort". Hintergründe und Verlauf der Maßnahme lassen sich bei Telepolis recherchieren. An führender Stelle taucht der amtierende Innenminister Otto Schily auf. Die Hemmschwelle staatlicher Ermittlungsbehörden gegenüber Journalisten ist augenscheinlich im steten Sinkflug begriffen. Das paßt ins Zeitbild und ergänzt sich wunderbar mit dem sonstigen rechtsstaatlichen Erosionsgeschehen. Aber ausgerechnet Otto Schily. Wer ihn reden hört, seine steinerne Mimik wirken läßt hat zwar bereits schon früher Schlimmestes befürchten müssen, aber wie war das gleich - hat er als Rechtsanwalt nicht früher auf seiten der Roten- Armee-Fraktion gestanden? Unter anderem exzessiv Grundrechte einfordernd.. Wie kriegt man so eine Gesamtkarriere hin als Mensch und wie als Gewissen? Wo ist da die Konsequenz? Tja, das Stichwort ist gefallen, die Konsequenz liegt nicht im Programm oder einer bestimmten Politik, sie liegt in der Karriere.


16.07.05
Es macht Angst, was uns da aus Amerika-USA so alles erreicht. Reste aufgeklärter Zeitgenossen schmunzeln über political correctness oder den kristallisierenden Neu-Puritanismus. Schütteln abwesend den Kopf über eine zunehmende bisher unzeitgemäße Prüderie und Gedankenunfreiheit. Aber schon schwappt es herüber und will mitreißen. Das ist weder lachhaft noch harmlos. Entweder man folgt den USA weiterhin und brav auch auf diesem Weg oder besinnt sich endlich auf einen eigenen, der das beste der demokratischen Moderne vereinigt. Es mag offen bleiben, ob EU-Kommissionen bisher zu einem kleinamerikanischen oder einem gedanklichen Neuansatz tendierten...
Es ist nicht mehr zu verkennen, daß sich das politische und wirtschaftliche Gefüge der modernen Industriestaaten westlicher Prägung, allen voran die USA, auf einen Neufeudalismus hin bewegt. Die zunehmend absolut regierenden Fürsten sind Großkonzerne und finanzielle Machtstrukturen. Eine dies schlagkräftig kritisierende Intelligentia gibt es kaum noch. Sie stirbt aus und ihre Restbestände verkennen schaarenweise derartige Entwicklungen. Man ist stolz auf seine Konzerne, hofft auf ihr Potential für Wirtschaft und Arbeitsplätze, fördert sie gar noch aus immer schmaler werdenden Budgets. Regierungen werden über ihre Staatsschulden künftiger Spielball der Banken. Großkonzerne sehen sich die Bemühungen und aufopferungsvollen Huldigungen ihrer Staaten grinsend an, solange es ihnen noch nützt. Sie spielen längst global und Heimat ist ihnen kein Begriff. SIe sind heute in Deutschland, morgen in Tschechien, übermorgen in China. Ihre Märkte sind gesichert, ihr billiges Arbeitnehmerpotential so groß wie noch nie. Sie übernehmen die Regierungen. Und diese werden irgendwann sogar darum betteln, weil sie kein Geld mehr haben um es selbst zu tun. Arbeitnehmerschutz und Grundrechte wird es allenfalls aus Unternehmers Gnaden geben.
Das nenne ich Schicksal, wenn der Kapitalismus zu einem Kommunismus ´durch Konzerne´ verkommt. Dagegen wird der überholte Staatskommunismus ein Scherz sein. Lediglich ein kleiner verirrter Vorgriff auf wirklich unangreifbare und zynische Vermachtung. Man wird sich selbstherrlichen globalen Monopolisten gegenübersehen. Nicht nur solchen für Energie, sondern auch für Wasser, Luft, Sonne, Erde, Gene, Leben. Wir werden zahlen müssen, wenn wir uns fortpflanzen wollen oder mehr als üblich atmen.
Und man wird sich fragen wie es geschehen konnte. Dabei wird man vielleicht auf närrische Entscheidungen europäischer Patentämter oder Gerichte stoßen, die so Unsinn wie "have a ..." als markenfähig anerkannten und damit einer Ver-claimung der gesamten Sprache Vorschub leisteten (den ganzen Slogan traue ich mich nichteinmal zu zitieren, weil ich keine 2.500 Euro für eine Abmahnung übrig habe). Man wird eventuell sehen, daß es falsch war den Schutz von Armen und Schwachen in den Händen von Bundestagsabgeordneten zu belassen oder Gewerkschaften. Weil die ebenfalls sehr an ihrer Etabliertheit hängen und auf Dauer zum Feudalismus neigen. Man wird sagen, es kam halt so. Kam es einfach so?


11.07.05
Telepolis meldet heute "Achtung, kein Witz". Die Münchner Universität wolle einen Professor wegen seiner privaten Witzeseite im Internet feuern. Die Analyse der Seite zeige außer manchmal etwas abgestandenen, langweiligen oder relativ harmlosen Sprachspielereien jedoch nichts von Belang. Noch dazu handelte es sich um einen Psychologieprof, der alles explizit als Satire und Humor ankündigte. Möglicherweise damit auch psychologische Feldarbeit leisten wollte. Nun, das hat er geschafft - und im nächsten Umfeld Kleingeist, Neoprüderie und unvermutetes Seilschaftshandeln aufgedeckt. Tatsächlich ging die Erstkritik und "Aufdeckung" der unglaublichen Seite von der Studentenvertretung (ASTA) aus. Wir erinnern uns.... ASTA, waren das nicht früher die, die Häuser besetzten und auf Demos mit Steinen warfen? So ähnlich. Aber wie alle aus der Tradition der 68ger hat man offenbar konsequent die Seiten gewechselt. Mehr noch, baut nun eine schön stromlinienförnige und beneidenswert reaktionäre Reaktion auf. Der dankbare Rektor reagierte prompt und bezeichnet das Machwerk als "ekelhaft und widerwärtig". Telepolis spricht von einer "Uni-Posse". In erstaunlich friedfertiger Verharmlosung der Entwicklungen. Hier werden punktuell Funktionen eingeübt, die freie Gedankenäußerung alsbald überwuchern können. Und es sind Anfänge, von denen man früher sagte, wehret ihnen. Glücklicherweise habe ich vorerst keinen Unijob zu verlieren.

06.07.05
Telepolis meldet "Im Namen des Geldes". Die Enteignung privater Immobilien wird Alltag in den USA. Der Supreme Court entschied am 24.6.05 im Kelo-Verfahren, daß es rechtens sei Bürgern ihre häusliche Heimat zugunsten privater Inverstorenteams wegzunehmen. Hierzulande geht das nur direkt zugunsten der öffentlichen Hand und gegen angemessene Entschädigung. Auch in den USA war das bisher so. Im Verfahren wurde es als neues Kriterium nun für ausreichend erachtet, daß ein öffentlicher Auftraggeber im Hntergrund stehe. Die Städte wüßten es selbst am besten, was ihnen am meisten nützt. Das sei sozusagen ausschlaggebend. Weniger wichtig - die angemessene Entschädigung durch den privaten Investor. Nach dem Artikeltext wurde diese vom Gericht offenbar weder für judikabel noch als Sperrgröße gesehen. Die Entschädigung steht damit im Belieben des Inverstors.


18.06.2005
Beitrag in der AZ von heute (S. 3): „Ein Papst muß so sein“. Untertitel: „In Italien ist Benedikt schon fast so beliebt wie sein Vorgänger“. Oder aus dem Text die Worte einer Augenzeugin: „Immerhin habe ich ihn ganz nahe gesehen. Er ist wirklich eine schöne Erscheinung“. Die Zitate sollten eigentlich genügen. Nein?
Wenn das alles wirklich so ist – in Italien..... - wäre das nicht unglaublich treulos und auch dumm? Da wirkt ein Papst Jahrzehnte, macht sich beliebt, managt den lieben Gott, stirbt irgendwann. Und kaum ist das geschehen ist der dröge deutsche Nachfolger 'fast genauso beliebt'. Warten wir noch ein paar Jahre, dann ist er 5x so beliebt. Zusammen mit Papst-Bier, Ansichtskarten von Marktl, Benediktbrot und was noch alles kommt.


15.06.2005
Eine sehr nahestehende Person meinte, es sei der Website das Ziel nicht anzumerken. Es scheine so, wie wenn es dabei nur um die Veröffentlichung meiner Texte ginge. Gut, ich nehme mir das zu Herzen, obwohl ich es nicht verstehe, wie so vieles. Auf der Startseite steht eigentlich zienmlich genau, um was es mir hier geht. Der Link auf meine Texte wurde nun tiefer geschachtelt und mit einem Zusatzkommentar versehen.


15.06.2005
Nachtrag zum 31.03.2005. Es ist endlich soweit! Die Bundesländer haben einen neuen Rundfunkstaatsvertrag beschlossen. WIr sind alle sehr dankbar, daß die GEZ nun für PC's ab 2007 Fernsehgebühren verlangen darf, Denn wir sind mit Gebühren ja nur wenig belastet und es ist darüber hinaus auch sehr sinnvoll. Betroffensind vor allem kleine Unternehmen und Selbständige, die bisher keinen Fernseher angemeldet hatten. Die dürfen nun jährlich rund 220 Euro zahlen, für eine Technologie, die völlig ohne Zutun der öffentlichen Fernsehsender entstanden ist und ganz überwiegend nur für Büroarbeit genutzt wird. Es bleibt abzuwarten wieviel Mumm deutsche Gerichte noch haben und die Sache vielleicht wenigstens teilweise von dort aus gekippt wird. Rein technisch bestehen keinerlei Zweifel, daß es sich bei Internetkommunikation eben nicht um Rundfunk handelt. Insofern dürften allenfalls Geräte mit echter TV-Karte und regulärer Fernseh- oder Rundfunkempfangstechnik betroffen sein. Die offizielle Begründunug lautet aber u.a., daß man alle PC's meine, da von diesen aus nach Stand der Technik auch die Homepages der Rundfunkanbieter zugänglich seien. Das ist  technisch wie erwähnt unzutreffend, stellt außerdem eine aufgedrängte Bereicherung dar - wer als Rundfunkbetreiber Gebühren für seine Seitenangebote erhalten will hat dazu nach üblichem Muster genug spezielle Möglichkeiten, dies in den Seitenabruf selbst zu integrieren. Weiterhin haben die Bundesländer staatsrechtlich nur für Rundfunk die Normsetzungskompetenz. Ein Staatsvertrag, der darüber hinausgehend auch jede Internettechnologie mit einbezieht überschreitet die Kompetenz der Länder und wäre insoweit anfechtbar.


18.05.2005
Interview der Stadtzeitung Augsburg mit Christian Dierig, Enkel des Textilfabrikanten und Werkgründers in Augsburg. Antworten von D. in erstaunlich lapidarer, informierter und ungewöhnlicher Weise. Ganz anders als Politik, Banken und aktuelle Wirtschaftsmächte.
D.: „...Industrien, die viel Arbeitskraft brauchen, sind ideal für Entwicklungsländer, und das ist ein Problem bis heute“/ StZ: 'Der Beginn der Globalisierung?' / D. „..Das Problem ist folgendes: Die Globalisierung soll den Konsumenten günstigere Preise bringen. Wenn die Konsumenten aber arbeitslos sind, was dann? Wollen fünf Millionen Arbeitslose lieber billige Textilien kaufen, als einen Job zu haben?“


08.05.2005
Herrliche Leserbriefe in der Augsburger Allgemeinen zur Kapitalismusdebatte.
Zb „Ohne Kapital geht in unserer Wirtschaft gar nichts. Aus durchsichtigen Gründen verschweigt Müntefering diese einfache Wahrheit...“. Wow. Wer also vor Sonnenbrand warnt habe nicht begriffen, daß ohne Sonne kein Leben möglich sei.
Oder: „..Der Staat kann und darf die Wirtschaft nicht zwingen, entgegen fundamentalster ökonomischer Prinzipien zu handeln. Dieser Versuch nennt sich Sozialismus und ist bekanntlich gescheitert. Unternehmen das Prinzip der Profitmaximierung vorzuwerfen, zeugt von äußerster Ignoranz: Gewinnstreben stellt das Herzstück unseres liberalen Systems dar....“ Der ist doch gut oder? ? ? Was sehr schön aufscheint ist die Fehlverwendung des Begriffs „liberal“. Damit wird seit einiger Zeit extrem viel Verwirrung gestiftet. Libertas, die Freiheit. Das kann nicht schlecht sein. Genauso sind die FDP die Liberalen, die anderen Parteien sind folglich gegen die Freiheit. Wie auch immer sich ein wirtschaftstheoretisch nicht Bewanderter „liberal“ vorstellt (Toleranz, Gutmütigkeit, Freiheit, Himmelauferden), gemeint ist seitens der Wirtschaft immer ein wirtschaftendes Ideal. Das kriegen leider auch sehr viele Politiker nicht mit. Es ist gemeint, Nichtregulierung, keine Eingriffe durch den Staat in wirtschaftliches Geschehen, völlig Freiheit für den Unternehmer. Wobei wir es dabei nicht unbedingt mit den vielen mittelständischen Unternehmen zu tun haben, von deren schützenswerter Warte aus zb Arbeitgeberpräsident Hundt gerne argumentiert. Wer Nichtregulierung fördert – er fördert die der Weltunternehmen. Derjenigen Unternehmen, die die Macht und das Geld haben bei Bedarf ganze Staaten und Volkswirtschaften zu kaufen, diese teilweise bereits in der Tasche haben. Man denke auch an Staatschulden. Unternehmen und Lobbies, die schon heute bestimmen, was ein Patent ist und was eine abmahnfähige Markenrechtsverletzung. Derjenigen Unternehmen, die in nicht mehr ferner Zukunft über die Anpflanzungen unserer Bauern bestimmen werden, über unsere Trinkwasservorräte verfügen werden, über unsere Energie, eventuell über unser Erbgut, die Zukunft, die Moral sowieso. Da wir das Liberale in der Geschichte bereits einmal zu Beginn der Industrialisierung hatten (Kinderarbeit, Manchestertum, kein Streikrecht, fatale Arbeitsbediungungen, völliges Ausgeliefertsein der Lohnarbeiter, etc.) spricht man für heute korrekterweise vom Neoliberalismus. Dadurch wird es aber nicht bssser. Für solche, die negative Folgen von Liberalismus beurteilen wollen oder können bzw. sich ein Restchen christliche (und andere..) Moral und Menschliebe erhalten haben muß aber klar sein, daß man es mit einem gar schauerlichen Szenario zu tun hat. Ist Aber nun Gewinnstreben, gar Profitmaximierung tatsächlich das Herzstück unseres liberalen Systems??
Nein, nicht einmal das. Zunächst haben wir kein „liberales System“. Die ehemalige BRD hatte per Grundgesetz eine soziale Marktwirtschaft und/bzw. war ein Sozialer Rechtsstaat. Das ist nicht Rotengeschwätz, sondern verfassungsmäßig noch immer verankert. Es bedeutet - Vorhandensein staatlicher Regularien für das Wirtschaftsgeschehen (es war einmal ein Bundeskartellkamt..), Garantie von sozialen Mindestbedingungen, eigentlich auch öffentliche Daseinsvorsorge in wichtigen Bereichen (Transport, Wasser, Energie, Postwesen, Justiz, Polizei/Sicherheit, kommunale Selbstverwaltungsmöglichkeit und Föderation). Eben kein „liberales System“. Sondern ein Mischsystem. Insofern ist auch unternehmerische Profitmaximierung nicht bedingungslos anerkannt. Und inwiefern jemand „Gewinnstreben“ als sein inwendiges Herzstück bezeichnen mag, wird ihm selbst überlassen bleiben.
Was war noch im Leserbrief? Ach ja, der Sozialismus. Na gut, dann ist er gescheitert. Obwohl ja eigentlich der Kommunismus gescheitert war. Ist die Nennung von „Sozialismus“ vielleicht der Versuch, jede irgendwie sozial orientierte Weltanschauung zu diskreditieren, indem man sie mit dem Kommunismus einfach in einen Topf wirft? So wird das allgemein tatsächlich versucht. Und was ist durch das Scheitern des Kommunismus bewiesen? In Logik eine Fünf. Es ist logisch nur bewiesen, daß er in dieser Form zu dieser Zeit nichts taugte. Und es wäre sehr erfreulich, wenn mit seinem Scheitern wenigstens eine schicksalsmäßige Aussage über unser System getroffen wäre. Aber hier hat leider niemand Höheres entschieden, ausgewählt oder erhört – . Das ist ganz offen. Auch unsere Wirtschaftsordnung kann sich vor dem Aus befinden, nur etwas später.


07.05.2005
Augsburger Allgemeine/ Dr. Veh ist neuer Landgerichtspräsident – Aufmacher :“Dienstleister Justiz weiterenwickeln“
Das klingt nach spätem Griff in die Wunderkiste „Dienstleistungsgesellschaft“. Man propagiert das eigentlich schon lange nicht mehr in den Medien, war eine etwas verwirrte und verfrühte Seligsprechung. Woher soll auch der Basisantrieb kommen, wenn nicht von Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Urproduktion. Kein Mensch kann sich von Dienstleistung alleine ernähren und keine Weltwirtschaft nur mit Dienstleistung funktionieren. Die moderne Justiz präsentiert uns indessen freudig, was gestern einmal aktuell war. Davon abgesehen ist es absurd, die Justiz als Dienstleister zu bezeichnen. Sie ist öffentliche Macht und hat Recht zu sprechen, ja mitzugestalten, das darf man von ihr auch erwarten. Und ein Staat tut gut daran, seine Justiz nicht zu einer Art Unternehmensberatung herunter zu infantilisieren, sonst läßt er das Recht verhungern. Dahinter steht auch der Wunsch, die Justiz möge sich selbst finanzieren. Ein guter Dienstleister macht ja Gewinn und ist beliebt. Was ihn dazu inspiriert, die Preise anzuheben, sein Handeln an der Ökonomie auszurichten, und so weiter. Umso besser, wenn man Monopolist ist. Es macht sich eine allgemeine Unfähigkeit breit, in höheren Werten zu denken.


30.04.2005
Die Überholung geht weiter. Der hessischen Justizministers Wagner (CDU) sorgt für ein frisches Horrorgefühl beim Lesen der Nachrichten:. "Die elektronische Fußfessel bietet damit auch Langzeitarbeitslosen und therapierten Suchtkranken die Chance, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren". (u.a. Spiegel Online v. 28.4.05). Mittlerweile ist das freilich dementiert. Es darf angenommen werden, daß die Zeit doch noch nicht ganz reif war für solche Pläne.
Die kommende Bundestagswahl wirft Schatten voraus und es zeigt sich, daß die aktuell auf ihrem Karrierehöhepunkt befindlichen Politiker auch nicht anders sind, als viele andere Vertreter der Jahrgänge 1940 bis rund 1950. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sind ein Spiel, dem gegenüber man keine Verantwortung hat. Man ist ja nur ein Einzelner und wen man sich nicht zur Macht begibt oder bereichert, tun es doch andere. Im vorgestellten Hintergrund boomt ein Wirtschaftswachstum, das alles irgendwie richtet. Das Staatswesen ist groß und sowieso undurchschaubar, wer sich sozial engagiert ist ein liebenswerter Wicht, den man ausnutzen darf, ja sogar muß um nach vorne zu kommen - ebenso wie Sozialsysteme, öffentliche Kassen, feilgebotene Subventionen und wenn es mal nicht mehr recht will mit allem, dann sind die anderen schuld oder eine zu träge Wirtschaftstätigkeit. Eine Werteverortung wird zynisch belacht und für überflüssig gehalten. Aufbautätigkeit ist ein Fremdwort. Aktuelle Wahlstrategien zielen unverhohlen auf die armen gebeutelten Rentner und Arbeitslosen, den immer zu kurz kommenden Mittelstand. Dort liegt Unfrieden und Potential, dorthin wird blumig versprochen. Dabei kann man diesen Gruppen nicht viel mehr bieten, es ist nichts da. Die Schulden sind zu hoch und werden immer höher. Es käme auf Großkonzerne an, die kündigen aber alle paar Wochen, trotz teilweise bester Gewinnlagen, tausenden von Arbeitnehmern oder verlagert Arbeitsplätze weltweit ins Ausland. Oder man würde auf breiter Front und als quasi genossenschaftliche Auffangvision Landwirtschaft aufbauen und kräftigen. Das wäre ein teilweiser Abschied von der Industrienation bisherigen Musters. Würde aber höchstwahrscheinlich Existenzen retten, Zukunft ermöglichen und Selbstverständnis erhalten, statt absehbar eine ganzen Nation über HartzIV mit 1-Eurojobs zu versorgen.


21.04.2005
Florian Rötzer in Telepolis/Heise-Verlag-“In die Welt von Orwell und Kafka“. Bürgerrechtsorganisationen warnten vor einem im Aufbau befindlichen globalen Projekt einer umfassenden sozialen Kontrolle. Diese Maßnahmen würden nur die 'Illusion' der Sicherheit befördern, aber Demokratie und Rechtsstaat gefährden. So würden Rasterfahndung und Data-Mining den Anschein erwecken, als würde etwas getan werden. Menschen, die terroristische Anschläge durchführen wollten, könnten die Sicherheitsmaßnahmen relativ einfach umgehen, während für die erheblich viel größere Anzahl von Menschen, die fälschlicher- oder irrigerweise als verdächtig identifiziert würden, erhebliche Folgen entstehen könnten. Datamining betrifft übrigens bereits viele Internetnutzer, auch Katalogbesteller, Butterfahrtenbesucher, Glücksspielnachfrager, Telekommunikationsteilnehmer, etc. – Privatunternmehmen sammeln persönliche Daten über Kaufverhalten und erstellen Personenprofile/ Personendatenbanken. Das geht über die bisherigen käuflichen Adresslisten, wie man sie zb als Basis für Werbemailings kennt weit hinaus. Das Karussell dreht sich weiter und nun kann man eben ganze Profile kaufen. Natürlich kann sich auch der Staat sowas über seine Bürger einkaufen oder wiederum, weiß man' s, die Privatwirtschaft mit eigenen Daten beliefern. Und...


01.04.2005
Der Ansatz der Website ist auch literarisch, nicht nur sozialkritisch wie man bei spontanem Hinsehen vermutet. Letzteres könnte aber die Hauptweiterentwicklung werden. Die mehr oder weniger seit Jahren gesammelten Kritikpunkte und gesellschaftlichen Blindstellen wurden kaum ansatzweise hier vorformuliert, da folgt nahezu eine Überholung durch aktuelle Ereignisse.
Kein Aprilscherz, Behörden dürfen seit dem 1.4. Konten der Bürger einsehen. Eine Informationspflicht der Bürger darüber ist nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht verhält sich nach neuer Linie und läßt einen Antrag auf Einstweilige Verfügung nicht zu. Von behördlicher Seite wird offiziell Wert darauf gelegt, daß man verwaltungsintern die Zugriffe scharf kontrolliere - also nichts befürchtet werden müsse. Eine Diskussion um Machtkontrolle und Gewaltenteilung liegt mittlerweile schon so im Abseits, daß das nicht einmal mehr angerissen wird. Wird es denn noch verstanden? Umfragen der Medien titeln unter dem irreführenden Aufhänger "Haben Sie etwas zu verbergen?" In England ist die permanente Überwachung durch Videokameras an öffentlichen Orten bereits Realität. Auch hier fühlen sich die Bürger wunderbarerweise bisher sicherer dadurch. Und auf sie selbst zurückfallen können die vermehrten Kontrollen ja nicht, denn sie haben freilich nichts zu verbergen. Da sind wir aber froh. Es wird sonderbarerweise übersehen, daß es darum gar nicht geht. Es geht um mögliche Kolateralschäden und um ein abstraktes Gefahrenpotential, das hinter solcher Datensammlung lauert. Es geht um Mißbrauchsmöglichkeiten, die momentan und bei gutwilligen Regierungen noch vergleichbar wenig Risikopotential bieten. Doch wer schützt vor übereifrigen oder unvorbildlich handelnden Sachbearbeitern und Polizeikräften, wer schützt vor kommenden Regierungen oder machthungrigen Konzernen, die solche Möglichkeiten exzessiv und zielgerichtet zu einem Werkzeug verschmelzen könnten?
Es geht im übrigen auch um Schutz der Individualsphäre, ganz unabhängig von Gefahrenpotentialen. Das Erstaunliche ist die öffentlich konsequent praktizierte Beweislastumkehr. Nicht mehr der Staat muß bei Eingriffen in Grundrechtswerte beweisen, daß die Sache notwendig ist – der Bürger soll zunehmend ehemals geschützte Bereiche ganz selbstverständlich auflösen – und wenn er sich dagegen wehren möchte – na dann soll er gefälligst beweisen, daß er einen konkreten Einspruchsgrund hat. Und weil er nix auf der Hand hat, im Übrigen allenfalls etwas zu verbergen hätte – na da kann er sich ja auch durchleuchten lassen – ODER?
Vor diesem Hintergrund kaum noch vorstellbar, aber es gab mal den Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“. Bzw. irgendwie gibt es ihn immer noch. Als Ausdruck dafür, daß es Aufgabe des Staates sei, das Unrecht nachzuweisen. Mit manchmal komischen Auswüchsen, aber der Satz galt als Rechtsstaats- und Grundrechtsgarant. Als typisch für Unrechtssysteme wurde hingegen immer aufgeführt, daß sie den Bürger unter einen paranoiden Anfangsverdacht stellten. Oder konkreter: Wenn man eine höhere Summe auf dem Konto hat und das Finanzamt bekommt Wind davon – wie wäre wohl fortzusetzen? Darf das Finanzamt eine Steuerhinterziehung , die Staatsanwaltschaft gar eine Geldwäsche unterstellen und man hat seine Unschuld zu beweisen oder müßte dem Kontoinhaber die Schuld nachgeweisen werden?? Daß an dieser Stelle bereits nachgedacht werden muß, zeigt leider wie es steht.


26.03.2005
Badische Zeitung/ „Die Gewinne verdoppelt“. Die 30 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands hätten 2004 ihre Gewinne auf zusammen 35,7 Milliarden Euro verdoppelt, zeitgleich im Inland aber knapp 35.000 Stellen gestrichen und Stellen ins Ausland verlagert. Man vergaß wohl dazu zu sagen, daß im Ausland weniger geschaffen wurden, als im Inland gestrichen.
Wenn SPD-Müntefering danach eine Kapitalismusdebatte lostritt, muß man sich dennoch wundern. Warum erst so spät, wo es schon fast zu spät ist?? Warum mit dem ausgelutschten und kommunistisch infizierten Wort „Kapital“?
Aber immerhin, dem bisher fast närrisch an die Not der deutschen Leitunternehmen glaubenden Bürger (ebenfalls ein infiziertes Wort) sind die Augen aufgegangen. Ooooh. Ja, wo ist es denn dann, all das Geld? Wo bleiben sie denn, all unsere Steuermittel und Subventionen? Wirklich insgesamt bei ausscheidenden Affärenparlamentariern und Mannesmann-Vorständen, oder ist da noch ein anderes Loch?
Ergänzende Werte zur Kenntnisnahme (dpa): Der Verdienst des DB-Chefs Ackermann wird für 2003 mit 10,1 Millionen Euro angegeben . Die Kosten des neuen BMW-Werks in Leipzig mit 1,2 Milliarden Euro (knapp ein Drittel davon stammt aus öffentlichen Subventionen).


24.03.2005
Augsburger Allgemeine/“Milchbauern gehen auf die Straße“. Man formiere sich gegen die Marktmacht der großen Lebensmittelketten. Seit 2001 seien die Verkaufspreise der Erzeuger von 32,7 Cent auf 28 zurückgegangen. Das ist schlimm. Möglicherweise aber auch der notwendige Debnkanstoß, um endlich zu verstehen, daß die vorhandene Abnahmekette zum Verbraucher kein ewigliches göttliches Segenswerk darstellt. Faire Trade-Netzwerke gibt es erstaunlicherweise bald für jede exotische Frucht, aber nicht für einheimische Milch.


01.03.2005
Das Logbuch des Providers zeigt einige Zugriffe, die sich aber weitgehend den informierten Personen zuordnen lassen. Eine schnelle Weiterverbreitung über diese Ecke scheint wenig aussichtsreich. Etwas Frust macht sich breit, wobei ich mich vor Augen halten muß, daß mehr auf bestehender minimaler Bekanntheitsbasis unmöglich erwartet werden kann.


15.02.2005
Die erste Resonanz ist verhalten. Teilweise freundliche oder aufmunternde Aufnahme, überwiegend aber Stillschweigen. Rückmeldungen kommen erwartungsgemäß fast nur zu Frau/Mann im Erstaunlichen Lexikon. Die Überschrift dort wird mehrfach angepaßt um den satirischen Charakter mehr herauszustellen. Im Erstaunlichen Lexikon wird vorzu weitergeschrieben so sich Gelegenheit ergibt.
Suchmaschinen listen die Seite wie befürchtet weiterhin nicht. Das kann erfahrungsgemäß Monate dauern, wenn nicht von bestehenden Seiten aus querverlinkt wird. Auf themenähnlichen Websites soll die Adresse noch publiziert werden, sonst wird sich wohl kaum etwas tun. Recherchen dazu werden unternommen wegen nun immer knapper werdender Zeit kommt es vorläufig aber zu keiner Bekanntmachung.

25.01.2005
Hitzletter geht ins Netz. Vor allem Timm´s Texte und das Erstaunliche Lexikon sind schon teilweise hinterlegt, übrige Rubriken werden angezeigt sollen aber entweder selbst oder mit anderen vervollständigt werden. Ein paar Bekannte und Verwandte erhalten den Link. Bei Altavista und Google wird die Seite angemeldet.

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Zuletzt geändert: 04.07.2012, 09:15:20